Wittenberger Karnevalsgesellschaft Wittenberger Karnevalsgesellschaft: Narren lassen politische Themen nicht außen vor

Wittenberg - „Karneval ist sehr politisch. Wir können nicht die Augen vor dem verschließen, was in der Welt vor sich geht.“ Michael Fredersdorf, Präsident der Ersten Großen Wittenberger Karnevalsgesellschaft, hält den Karnevalsauftakt durchaus für geeignet, einen Blick auf das zu werfen, was sonst gemeinhin als „Stichwortgeber“ für Büttenreden dient.
Witze über sexistische Sprüche des neuen amerikanischen Präsidenten oder Reden von Erdogan in der Türkei, „das allein kann es nicht sein“, ebenso wenig wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland. Karneval sei nicht nur fröhlich und biete Ablenkung vom Alltag. „Wir wollen nicht zwei Stunden so tun, als wäre alles schön.“
Vor einem Vierteljahrhundert ist die Wittenberger Karnevalsgesellschaft gegründet worden, Basis waren zwei Vereine aus Wittenberg und Piesteritz. Ein Motto habe man im Jubiläumsjahr nicht, sagt Fredersdorf. Erst einmal werde man die 25 Jahre des Bestehens intern mit den Mitgliedern, mit Kindern, Eltern und Großeltern feiern.
Dann sind die Wittenberger bei anderen Vereinen zu Gast, bei den Reinsdorfern, Abtsdorfern und den anderen Jubilaren wie Holzdorf und Pretzsch. Gemeinsam mit dem Augustinuswerk wird es eine Veranstaltung geben, diesmal in der Exerzierhalle. Und am Sonnabend vor Rosenmontag gibt es die große Prunksitzung des Vereins.
Dabei drückt die Wittenberger Karnevalisten ebenfalls ein Problem. Ihr Veranstaltungsort, der „Piesteritzer Hof“, schließt zum Jahresende, ein Ausweichort muss deshalb her. Der soll aber möglichst ebenfalls westlich der Altstadt liegen. „Ein Großteil unserer 30 Kinder und Jugendlichen kommt aus Wittenberg West und Piesteritz“, nennt Fredersdorf einen plausiblen Grund, die Hauptveranstaltung nicht zu weit weg zu legen.
Zumindest die Vereinsräume in der Fritz-Heckert-Straße genügen den Ansprüchen für Mitgliedertreffen und Proben. „Für mich steht die Jugendarbeit im Vordergrund“, sagt Fredersdorf, seit 2005 Mitglied und auch Präsident. Präsent und kreativ sein ist das Ziel, deshalb ist der Verein bei anderen Veranstaltungen wie bei „Luthers Hochzeit“ als Bürgerwehr samt Klatschweibern präsent, besucht Partnerstädte wie Haderslev. Gemeinsam mit Trebitz richten die Wittenberger im Dezember 2017 auch das karnevalistische Präsidententreffen des Landes aus.
Ganz unbekannt sind sie ja nicht, Fredersdorf denkt da zum Beispiel an den Trubel um das erste schwule Prinzenpaar 1999, noch vor seiner Zeit. „Damals war der Verein kurz vor dem Rausschmiss aus dem Bund Deutscher Karnevalisten, heute ist das alles kein Problem mehr.“
Bei all den großen und kleinen Sorgen, die Schlüsselübergabe am 11.11. wurde zünftig gefeiert. Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) erhielt eine Geburtstagstorte und revanchierte sich mit einer Ehrenurkunde und Kopfschmerztabletten. „Ihr könnt’s gebrauchen“, meinte er. Anschließend wurde Sekt kredenzt, schlagfertig von Michael Fredersdorf kommentiert mit: „Du bist ja jetzt außer Dienst.“ Zugehör: „Das fühlt sich gut an.“ Das hätten die Beiden noch lange weiter so treiben können. Aber ein bisschen was werden sie sich schon für den Aschermittwoch aufgehoben haben. (mz)