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Wittenberg Wittenberg: Predigerseminar verlässt das Augusteum

Von corinna nitz 27.06.2012, 18:17

wittenberg/MZ. - "Bleib mal stehen, jetzt gibt's hier was zu sehen!", rief eine Mutter Mittwochnachmittag am Rande des Wittenberger Marktplatzes ihrem Nachwuchs zu. Der stoppte - und staunte über eine ungewöhnliche Prozession: Aberdutzende Menschen, etliche in Talaren, einige mit zartklingenden Handglocken, zogen die Collegienstraße herauf. Vor einer Marktbude setzte eine Bläsergruppe zum festlichen Spiel ein. Alles passte.

Ganz vorn im Umzug mit unterwegs war Ilse Junkermann. Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland hatte gerade das Augusteum entwidmet. Im übervoll besetzten Fürstensaal stand sie am Altar und erklärte: "Von nun an ist dieser Raum nicht mehr für den Gottesdienst bestimmt." Mehr noch: Das ganze Evangelische Predigerseminar zieht ja aus. Es geht ans Westende der Altstadt zum Schloss - jedenfalls sobald selbiges saniert und ein Anbau an der Stelle des einstigen Südflügels errichtet ist.

Dass es weh tut, Wurzeln zu lösen, bekannte zuvor die Direktorin des Seminars, Hanna Kasparick. Immerhin fast 200 Jahre war das alte Universitätsgebäude Heimstatt für das Predigerseminar, in dem, wie es eine junge Vikarin später nannte, aus Theologen Pfarrerinnen und Pfarrer gemacht werden (schließlich sei nicht jeder brillante Theologe automatisch ein guter Pfarrer). Kasparick erinnerte unterdessen auch an das Leben jenseits des Lehrbetriebs, das im Augusteum noch stets pulsiert hat und von Feiern über Konzerte bis hin zum Friedenskreis in Vorwendezeiten reichte. Sichtlich erfreut war sie darüber, dass mit Christine Grabbe (Stiftung Leucorea) und Stefan Rhein (Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt) neben vielen anderen Gästen auch jene "Nachbarn" gekommen waren, mit denen man sich gemeinsam Gedanken über das Reformationsjubiläum 2017 mache. Dass die Luthergedenkstätten mit dem Augusteum mehr Raum und zusätzliche Ausstellungsflächen bekommen, sei ein "Gemeinschaftswille" und das ganze Projekt "zum Wohl der Stadt und auch der Schlosskirche". Die ist Ausbildungskirche für die Vikare, weshalb Kasparick mit Blick nach vorn von einer lebendigen Zukunftswerkstatt sprach und bekräftigte: "Heute kommen die großen Pläne in Bewegung."

Dass es nun ernst wird, meinte im Hinblick auf die "Rochade" (respektive den Gebäude-Ringtausch) Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Und mehr noch, als dass er in persönlichen Erinnerungen schwelgte, legte er seine Erwartungen an die neuen Besitzer des Augusteums dar: Das Haus, sagte er, war immer ein Ort der Ausbildung, an dem auch (Kirchen)Geschichte geschrieben wurde. "Die zukünftige Nutzung darf diese Historie nicht vergessen." Es müsse in jedem Fall mehr entstehen "als nur ein Raum für Exponate". An der Prozession konnte Haseloff dann nicht mehr teilnehmen. Sie endete - natürlich - mit Andacht am Schloss.