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Wittenberg Wittenberg: Ma droff gehorchd

Von CORINNA NITZ 09.02.2011, 18:46

WITTENBERG/MZ. - Der Sachse ist ein Sprachökonom. Etwa ersetzt das "ä" ganze Worte und spart damit Atemluft, weshalb Sächsisch auch besonders ökologisch ist, weil weniger Kohlendioxid ausgestoßen wird. Ja, manchmal muss man einfach groß und um die Ecke denken - wie Tom Pauls, der am Dienstagabend in einer zum Bersten gefüllten Phönix Theaterwelt Wittenberg diese tollkühne These aufstellt und es an Beispielen nicht mangeln lässt. Je nach Intonation ist ein Sachse demnach in der Lage, mit dem "ä" unter anderem Erstaunen, Hochachtung oder Ablehnung zum Ausdruck zu bringen, ohne dabei auch nur ein einziges richtiges Wort formulieren zu müssen.

Nun stößt die sächsische Mundart wie keine andere zwischen Flensburg und Sonthofen auf Ablehnung, wie eine bundesweit durchgeführte Umfrage 2009 ergab. Mancher, so Pauls, nennt "Säggs'sch" sogar Mundfäule. Mit seinem Programm "Rettet uns den Gogelmosch" will der Schauspieler und Kabarettist aus Dresden diese Fehleinschätzung korrigieren. Im Phönix läuft er damit die sprichwörtlichen offenen Türen ein, man amüsiert sich prächtig, zudem scheinen sich nicht wenige Landsleute im Parkett und auf dem Rang zu drängen. Idiome wie Motschekiepschen (Marienkäfer), Muschepupu (die sächsische Variante für situationsbedingte Verdunklung eines Raumes) oder fischelant (Synonym für erfindungsreich)

sind etlichen Besuchern durchaus geläufig. Ach ja, unter Gogelmosch subsumiert man Pauls zufolge alle unnützen Dinge, man könne stattdessen ebenso gut "Gälumbe" sagen. Was die an dieser Stelle angebotenen Schreibweisen betrifft, so dürften sie Pauls' Segen finden, auch wenn sie womöglich nicht ganz korrekt sind, aber: "In Sachsen herrscht gesprochene Pluralität, und geschrieben wird das gesprochene Wort." Letzteres, aber das sei hier nur nebenbei erwähnt, hat vor Jahren auch der Herausgeber eines Wörterbuchs "Sächsisch-Deutsch / Deutsch-Sächsisch" gemacht und empfohlen, den Praxistest vor einem Spiegel durchzuführen. Weil man bei dem Versuch, Vokale wie etwa das "o" auf Säggs'sch zu sprechen, den Unterkiefer vorschieben muss und dieser Anblick den Unterhaltungswert ganz erheblich steigern könne. Auch Pauls' Mimik ist in dieser Hinsicht zum Quietschen, zumal wenn er Gedichte der von ihm verehrten Lene Voigt deklamiert.

Ansonsten liefert er launige Erklärungen zur Komplexität der sächsischen Sprache, verweist auf den französischen Ursprung vieler Begriffe, was diesen zweifellos gleich eine gewisse Noblesse verleiht. Er lässt seine Bühnenfigur Ilse Bähnert zu Wort kommen, wirft mit Witzen nur so um sich - und er gibt eine virtuose Einlage am Klavier. Denn der heitere Ritt durch den Gogelmosch ist auch ein mitreißendes Konzert, immerhin wird Pauls von dem Dresdener Boogie-Woogie-Duo "Two Hot" (Mario Meusel, Schlagzeug, Christian Schöbel, Flügel) begleitet. Am Ende, es geht schon straff auf 22 Uhr zu, gibt's für Pauls Blumen und Hochprozentiges, fürs Publikum mehrere Zugaben und schließlich die Erkenntnis, dass Sächsisch nicht unbedingt der schönste Dialekt ist, aber sehr unterhaltsam sein kann. Und wer's nicht glaubt, "horchd eefach ma droff".