Wittenberg Wittenberg: Jeden Tag eine neue Herausforderung
WITTENBERG/MZ. - "Das ist", sagt die Mutter aus Dessau, "jeden Tag eine neue Herausforderung." Sie verhehlt nicht, oft an ihre Grenzen zu stoßen. Die junge Frau hat einen zehnjährigen Sohn, bei dem Autismus diagnostiziert wurde. Sie benötigt vielfältige Hilfe, die sie jetzt auf kürzerem Wege bekommt.
In Wittenberg ist am Mittwoch offiziell eine Autismus-Ambulanz eröffnet worden. Getragen wird sie vom Internationalen Bildungs- und Sozialwerk, das ähnliche Einrichtungen in Leipzig und Halle betreibt. Weil die Wege weit sind für Betroffene und Mitarbeiter und weil der Bedarf in der Region offenbar vorhanden ist, entschloss sich der gemeinnützige Verein, eine dritte Ambulanz aufzubauen. Die arbeitet bereits seit einigen Wochen und kümmert sich inzwischen um 16 Familien, die autistische Kinder im Alter zwischen vier und 18 Jahren haben. Vier Mitarbeiter bieten ihre Hilfe an - eine Psychologin, eine Sozialpädagogin und zwei Heilpädagoginnen.
Die Region, die die Ambulanz abdeckt, reicht nach den Worten von Leiterin Heike Giesemann über die Kreisgrenzen hinaus. Bis Sachsen und Brandenburg oder eben Dessau. Die Unterstützung, die geleistet wird, ist immer sehr individuell. Wie auch die Erscheinungsformen der Krankheit individuell verschieden sind. Als Autismus wird eine tief greifende Beeinträchtigung der Entwicklung bezeichnet - schwere Störungen in Interaktion und Kommunikation. "Manche Kinder", weiß Frau Giesemann, "sprechen überhaupt nicht. Andere sind pedantisch und überkorrekt." Der Sohn der jungen Frau aus Dessau spielt nicht mit anderen Kindern und hat sehr spezielle Interessen: Waschanlagen und Windräder. Er dringt darauf, dass seine Eltern Sätze wortgetreu wiederholen. Gelingt das nicht, kann er aggressiv reagieren. Der Junge besucht das Gymnasium, was aber nur funktioniert, weil er einen Schulbegleiter hat. Das ist auch Teil der Arbeit der Wittenberger Ambulanz. "Wir gehen in Schulen und Kindergärten, beraten, geben Tipps, wie mit den Kindern umgegangen werden sollte. Eigentlich kümmern wir uns um das gesamte Lebensumfeld", beschreibt Heike Giesemann. Ein Patentrezept gebe es da nicht, das Spektrum der Unterstützung und Förderung ist breit, auch weil die Kinder neben starken Beeinträchtigungen nicht selten "hochausgebildete Fähigkeiten" besitzen.
Dass die Zahl der Autismus-Fälle steige, räumt Heike Giesemann ein. Was aber eher mit einer verbesserten Diagnostik zu tun habe. Die Ursachen für die Krankheit sind nach ihren Worten nicht vollständig geklärt. Es gibt verschiedene Hypothesen. Die einen sprechen von erblichen Faktoren, die für eine "andere Gehirn-Struktur" verantwortlich seien, andere machen dafür beispielsweise Ernährungsfragen verantwortlich.
Die Autismus-Ambulanz befindet sich in der Lutherstraße 15 in Wittenberg. Zu erreichen ist sie über Tel: 03491 / 4 20 58 42 oder per E-Mail: Autismus-Ambulanz Wittenberg