Wittenberg Wittenberg: Dramatisches Geschehen endet nicht mit dem Löschen
Wittenberg/MZ. - Wer sich gestern Morgen fluchend in die Stop-and-go-Schlange aus dem Wittenberger Mittelfeld in Richtung Triftbrücke einreihen musste, konnte da noch nicht wissen, was für ein dramatisches Geschehen weit über 100 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei wenige Stunden zuvor im Bann gehalten hatte. Und das nun die Umleitung notwendig machte.
Gegen 1.05 Uhr hatte die Einsatzleitstelle Wittenberg Alarm ausgelöst. Flammen im leer stehenden Gründerzeitbau des früheren Mühlenbaus in der Dresdener Straße hatten sich zu einem Großbrand entwickelt. Nicht zum ersten Mal war die Feuerwehr in den letzten Wochen dorthin gerufen worden. In der Vergangenheit gingen die Zündeleien zwar glimpflich aus; gestern besiegelten die Flammen jedoch die Existenz des denkmalsgeschützten Objektes.
Bis 6.30 Uhr morgens kämpften 16 Feuerwehren aus dem Stadtgebiet gegen die hoch lodernden Flammen. Da die Löscharbeiten nur von außen erfolgen konnten, waren die beiden Hubsteiger aus Coswig und Jessen mit am Ort des Geschehens. Von drei Seiten her versuchten die Einsatzkräfte der Flammen Herr zu werden. Durch die ungeheure Funkenbildung wurden extra Feuerwehrmänner eingeteilt, die diese Funken beobachteten, um schnell reagieren zu können, wenn Nachbargebäude gefährdet würden. So schilderte Bernd Müller, Chef der hauptamtlichen Wachbereitschaft, das Geschehen. Ein Übergreifen konnte verhindert werden.
Seit der Wende stand der eigentlich sehr imposante, 1878 errichtete Fabrikbau leer. Bis 1990 war auch seine bautechnische Substanz genauso erhalten wie alle anderen Gebäude ringsum, bekräftigt Lothar Bley, Inhaber des heutigen Mühlenbaus nebenan. Gleich nach der Wende, so berichtet er, hatte die Treuhand das Mühlenbau-Grundstück geteilt. Der Gründerzeitbau, ein dreistöckiges Klinkergebäude, war an einen Unternehmer aus dem Westen verkauft worden. Der habe den Bau nach anfänglichen Unternehmensversuchen und der Lagerung von Altmaschinen seinem Schicksal überlassen. Inzwischen sei er verstorben. Ein Insolvenzverwalter habe das Gebäude indes aus der Insolenzmasse mangels Wert freigegeben.
"Wir haben das Objekt schon einige Jahre in Beobachtung", bestätigt Rolf Häuser, Fachdienstleiter Bauordnung beim Landkreis. Durch den Brand war es nun so geschädigt, dass es akut einsturzgefährdet war. Aus diesem Grunde wurde die für die Löscharbeiten nötige Vollsperrung dieses Teils der B 187 aufrechterhalten. Das Areal wurde weiträumig abgesperrt. Statiker legten nahe, so Häuser, das Gebäude umgehend einzureißen. Schon am Mittag begann der Abriss. Der gestaltete sich keineswegs einfach, da noch nicht klar war, wie das Stahlskelett im Innern des Baus reagieren würde. Es war unbedingt zu vermeiden, dass es auf die nur wenige Meter entfernten Produktionshallen stürzt. Noch vor 20 Uhr gestern Abend wurde die B 187 für den Verkehr wieder freigegeben.
Beizeiten entwickelten sich Spekulationen, das Feuer dürfte nicht von selbst entstanden sein. Öfter wurde berichtet, dass sich junge Leute dort aufhielten. 16.30 Uhr informierte die Polizeidirektion, dass inzwischen gegen einen 17-jährigen Wittenberger wegen vorsätzlicher Brandstiftung ermittelt wird.
