Serie: Vor 100 Jahren Wie Piesteritz im Jahr 1922 eine Kirche bekam
Im April 1922 wird in der Werkssiedlung der Grundstein für das katholische Gotteshaus gelegt. Was sonst noch geschah in jenem Monat.

Wittenberg/MZ - „Der vergangene Sonntag war ein wahrer Freudentag für die katholische Gemeinde in Piesteritz. Denn es wurde der Grundstein zu ihrem langersehnten neuen Gotteshaus, der Kapelle zu Ehren der hl. Familie von Nazareth gelegt.“ Beide Wittenberger Blätter, Tageblatt und Allgemeine Zeitung, berichteten am 27. April ausführlich von dem Ereignis vier Tage zuvor. Die Kirche, Bestandteil der einige Jahre vorher entstandenen Werkssiedlung, war vor allem für die katholischen Beschäftigten gedacht, die ab 1915 für die Bayerischen Stickstoffwerke AG das Werk errichteten.
„Die Witterung war günstig und die Feier erfreute sich eines überaus regen Besuches“, hieß es weiter. Neben vielen Geistlichen waren Vertreter der Mitteldeutschen Stickstoffwerke, der Berliner Bodengesellschaft und der politischen Gemeindevertretung, Herren vom Kirchenvorstand, der kirchlichen Gemeindevertretung, die Vorsitzenden der kirchlichen Vereine und Vertreter der jungen Piesteritzer Gemeinde anwesend.
Neue Feuermeldeanlage
„Die Arbeiten zur neuen Feuermeldeanlage sind nunmehr in Angriff genommen“, berichtete die Allgemeine am 21. April aus Wittenberg. „Mit der Aufstellung der großen Schalttafel und des Alarmierungsapparates in der Rathauswache ist bereits begonnen worden; doch dürften bis zur Inbetriebnahme der neuen Einrichtung noch mehrere Monate vergehen, da die vielen Hausanschlüsse noch eine reichliche Menge Arbeit verursachen.“
Des 25. Geburtstages der „Teuchler Feuerspritze“ gedachte die Allgemeine am 6. April. „Im Jahre 1897 erhielt unsere Gemeinde ihre Feuerspritze, und es ist wohl nicht nur berechtigt, sondern auch Pflicht, dieses Ereignisses zu gedenken. Im Wittenberger Feuerreglement (1725) ist von den Gemeinden rechts der Elbe nur das Dorf Euper aufgeführt, welches eine Feuerspritze besitzt, und es kann daraus wohl geschlossen werden, daß die im Jahre 1897 angeschaffte Feuerspritze die erste unserer Gemeinde war.“ Gebaut wurde die Spritze für Teuchel von der Wittenberger Firma Kesselschmiede Max Blume.
Mit einer Anzeige im Tageblatt am 4. April dürfte Fritz Roloff, der Wirt der „Obstweinschenke“ Reinsdorf, für gute Werbung gesorgt haben. „Am Sonnabend, den 1. April hat ein Freundchen aus Neid mir ein Saalfenster durchworfen und dadurch ca. 500 meiner vornehmsten und besten Gäste in nicht geringe Aufregung versetzt. Den Jungen möchte ich küssen. Wer mir dazu verhilft, erhält 200 Mark u. 10 Flaschen Wein. Die Scheibe ist eine Sehenswürdigkeit für Reinsdorf und halte dieselbe den ganzen Sommer über meinen verehrten Gästen zur unentgeltlichen Besichtigung bestens empfohlen.“
„Am 1. Osterfeiertag fand am Thielschen Lokal eine Feier zu Gunsten einer gärtnerischen Anlage am Kriegerdenkmal statt“, schrieb das Tageblatt am 21. April aus Seegrehna. Der Gemeindevorsteher begrüßte die Gäste im Namen des Denkmalausschusses und erinnerte an die Einweihung des Denkmals für die Gefallenen am 20. Oktober 1921. In seiner Ansprache bat er um eine geziemende Ausschmückung des Bereichs.
Fußballfreunde dürften die Berichterstattung von der Auslandsreise der ersten Mannschaft des Wittenberger Clubs „Viktoria 07“ in der Allgemeinen vom 21. April aufmerksam gelesen haben. Die Mannschaft war mit drei Betreuern während der Osterfeiertage in die „Tschecho Slowakei“ gefahren, hatte in Kladno ein Länderspiel zwischen Viktoria-Liskow aus Prag und einer Viktoria-Mannschaft aus Paris verfolgt und am ersten Feiertag ihr erstes Spiel gegen Krocehlavy absolviert. „Mit dem Schlußergebnis von 0:3 kann Viktoria zufrieden sein, denn sämtliche deutschen Ligamannschaften, die Ostern in Tschecho-Slowakien gespielt haben, mußten sich höhere Niederlagen gefallen lassen.“ Gegen Kladno verlor die Viktoria am Tag darauf mit 0:4.
Ein Beschluss der Bad Schmiedeberger Stadtverordneten zur Gasversorgung war am 2. April in der Allgemeinen nachzulesen. Die Stadtväter hatten „entschieden, daß der Thüring. Gasgesellschaft die Legung des Straßenrohrnetzes auf eigene Rechnung und Gefahr hier genehmigt werden soll unter Zugrundelegung des Vertragsentwurfs. Die Bereitstellung eines Darlehns von 2 Millionen Mark, die von der Gesellschaft verlangt wird, wurde abgelehnt, da Mittel hierzu nicht vorhanden sind.“
Vandalen hatten Anfang des Monats in Oranienbaum das Denkmal auf dem Markt mutwillig beschädigt. Am „Wahrzeichen der Stadt“, so die Allgemeine am 8. April, war „der Orangenbaum aus der Vase herausgebrochen“ worden. „Die Polizeiverwaltung setzt eine Belohnung von 300 Mark für den Nachweis des Täters aus.“
Ballon in der Kiefer
Für einen Ballon mit drei Herren, aufgestiegen in Bitterfeld, war am 22. April unweit Oranienbaum unfreiwillig Schluss der Reise. Hohe Kiefern setzten dem offenbar sehr niedrig fahrenden Ballon ein Hindernis entgegen. „Der mit dem Rade vorbeifahrende Ortsschulze Weise aus Gohrau wurde von den Luftschiffern (...) angerufen, so daß er als erster tätige Hilfe leisten konnte“, berichtete das Tageblatt. „Nachdem der Ballon am Fuße einer Kiefer durch den Retter festgebunden war, wurde er durch Abwerfen von Ballast soweit erleichtert“, dass er anderswo landen konnte.