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Tragödie in Coswig Tragödie in Coswig: Anfeindungen gegen Mutter des ertrunkenen Jungen

28.02.2013, 07:38
Der Zaun zum Löschteich ist noch immer löchrig - und das wenige Meter vom Ort des Unfalls.
Der Zaun zum Löschteich ist noch immer löchrig - und das wenige Meter vom Ort des Unfalls. Klitzsch Lizenz

Coswig/MZ - In Coswig ist das Unfassbare passiert: Der zehnjährigen Phillip ist Mitte Januar in einen Feuerlöschteich eingebrochen und konnte nicht gerettet werden. Das Leid der Mutter ist nicht mit Worten zu beschreiben. MZ-Redakteur Michael Hübner sprach mit der 28-jährigen Sina Jendrysczyk.

Wie fühlen Sie sich?

Jendrysczyk: Hilflos - wie am ersten Tag. Ich bekomme die schrecklichen Bilder von dem Unfall nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe die Rettungsversuche von Anfang bis Ende eins zu eins mit erlebt. Außer Freunden hat sich vor Ort niemand um mich gekümmert, geschweige denn mich medizinisch versorgt. Der Notarzt oder die Sanitäter haben kein Wort mit mir gesprochen. Sie sind fortgefahren, ohne mich über den Tod meines Sohnes zu informieren. Lediglich ein Seelsorger hat sich vorgestellt. Das war es. Am nächsten Tag bin ich zusammengebrochen. Der Notarzt brauchte drei Stunden, um nach Coswig zu kommen. Ich wies mich in eine Wittenberger Klinik ein und habe mich nach zwei Tagen selbst entlassen, da bereits zu diesem Zeitpunkt böse Spekulationen und Gerüchte im Umlauf waren.

Haben Sie Unterstützung erhalten oder Anteilnahme gespürt?

Jendrysczyk: Ja, von meiner Familie und von Freunden. Ohne diese Hilfe hätte ich das alles nicht durchgehalten. Die Spendenaktion, von einer Freundin organisiert, hat mir geholfen, die Beerdigung zum Teil zu finanzieren. Aber ich wurde auch mit den furchtbarsten Gerüchten konfrontiert, die meinen Schmerz nur noch weiter verschlimmerten. Ich musste mir - auch wenn das oft hinter meinem Rücken passierte - respektlose Sätze anhören, wie die, dass ich angeblich meine Aufsichtspflicht verletzt habe. Wo waren denn die Eltern der anderen spielenden Kinder? Jeder sollte froh sein, eine Familie zu haben, und es hätte jedes andere Kind treffen können. Ich kann die Anfeindungen nicht begreifen. Sie kommen offensichtlich von Menschen, die überhaupt nicht verstehen, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren. Ich bin das Opfer und nicht die Angeklagte. Und noch eines: Wir reden hier nicht über einen Beinbruch.

Wie hat die Stadt Coswig als Eigentümer des Feuerlöschteiches reagiert?

Jendrysczyk: Sehr schnell. Bereits am nächsten Tag wurde das Loch im Zaun, durch das mein Sohn geklettert ist, um seinen Fußball zu holen, mit Maschendraht geflickt. Und in Fernsehinterviews wurde behauptet, es sei alles in Ordnung und die Bedeutung des Feuerlöschteichs für Coswig als unersetzlich hervorgehoben. Inzwischen ist er trocken. Die Fernsehberichte über die angebliche Wichtigkeit habe ich aufgezeichnet. Ich selbst habe von der Stadt eine Karte erhalten. Das Beileidsschreiben wurde aber nicht persönlich überbracht. Der Weg ins Krankenhaus war offensichtlich zu weit oder zu zeitaufwendig. Beim Begräbnis war auch kein offizieller Vertreter der Stadt dabei. Schon zuvor - bei der Spendenaktion direkt vor dem Rathaus - hat sich die Bürgermeisterin nicht blicken lassen.

Sie haben inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. Warum?

Jendrysczyk: Es geht um Akteneinsicht. Ich will Klarheit, ich will genau wissen, was da passiert ist und wer dafür die Verantwortung trägt. Es gibt inzwischen sogar Leute, die behaupten, da habe es gar kein Loch im Zaun gegeben.

Glauben Sie, dass die Tragödie zu verhindern war?

Jendrysczyk: Sie hätte verhindert werden können und müssen. Davon bin ich fest überzeugt.

Die MZ hat berichtet, dass bereits eine Frau in den Teich gestürzt ist. Und vor zwei Jahren soll ein Zirkuskind ins Wasser gefallen sein. Das allerdings dementiert die Stadt.Noch mal konkret: Planen Sie juristische Schritte?

Jendrysczyk: Das werde ich mit meinem Anwalt noch beraten. Wir warten aber derzeit die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ab.

Aber sehen sie sich doch mal die Situation vor Ort am Fußballplatz in Coswig an. Da ist ein Spiel- und ein Bolzplatz für Kinder - und eben der Feuerlöschteich. Da sollten doch alle Sicherheitsfragen geklärt und eine ständige Kontrolle abgesichert sein. Aber noch heute fehlt jedes Warnschild.

Sina Jendrysczyk
Sina Jendrysczyk
KLitzsch Lizenz