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Stark angespannt beim Festumzug

Von Ute Otto 20.05.2008, 17:56

Wittenberg/MZ. - Die MZ stellt auch in diesem Jahr vorab Leute vor, die mit zum Gelingen des laut Veranstalter Wittenberg-Kultur "einzigartigen" Stadtfestes beitragen. Heute: die Bierkutscher der Ur-Krostitzer Brauerei.

Nicht Crostitzer, sondern Reudnitzer Bier soll es gewesen sein, von dem Martin und Katharina ein Fässchen zur Hochzeit erhielten. "Aber ohne Luther", sagt Brauerei-Pressesprecherin Ines Zekert, "wäre auch Gustav Adolf 1631 nicht in diese Region und zur Brauerei nach Crostitz gekommen". Der Schwedenkönig galt als Verfechter der Reformation und die Krostitzer Brauerei zählt heute zu den Hauptsponsoren des Wittenberger Stadtfestes. Und als Ausdruck dessen schickt sie im Juni nicht nur Bier und Schankausrüstungen in die Lutherstadt, sondern setzt mit der sechsspännigen Brauereikutsche auch einen Glanzpunkt im historischen Festumzug. Die 50 Eichenfässer mit dem Ur-Crostitzer Markenzeichen allerdings, die den Wagen schmücken, sind leer, verrät Jochen Gebhardt. "Den Wagen hat eine Leipziger Werbeagentur gestaltet." Ein Lkw-Anhänger dient ihm als Garage und Transportmittel zugleich. Zehn Einsätze hat der rollende Werbeträger mindestens in der Festsaison. Ebenfalls mit einem Lkw, einem speziellen Tiertransporter, bringt Peter Hennig aus dem 130 Kilometer entfernten thüringischen Koren-Sahlis seine "sechs Mädels" zum Einsatzort. Jedes wiegt etwa 800 Kilo. "Sächsisch-thüringisches Kaltblut" fließt in den Adern der fünf- bis 25-jährigen Stuten. Acht Pferde dieser Rasse hat Hennig, ein Ur-Krostitzer übrigens, im Stall. Dass sie alle weiblich sind, sei eher Zufall. Nicht nur weil junge Stuten "mitunter zicken, besonders wenn sie rossig sind", arbeitet er lieber mit älteren Tieren: "Die sind abgeklärt, erfahren und ruhig."

Freilich können Trommelwirbel und Fanfaren auch das gemütlichste Pferd mal nervös machen. "Aber das meiste Wasser", sagt der Kutscher aus Thüringen, "das verlieren wir da oben auf dem Kutschbock." Das bestätigt auch sein Spannemann aus der Brauereistadt, der "Bierkutscher Jochen": "Wir kommen gern nach Wittenberg, es ist ein schönes Fest, aber von allen Festen, auf denen wir sind, ist es für uns die größte Herausforderung." Sehr eng sei nämlich an manchen Stellen die Gasse. Mal sind's Buden, meist aber Menschenmengen, mit denen das Riesen-Gespann auf Tuchfühlung kommt. "Die Leute machen nicht gerne Platz, im Gegenteil, sie rücken den Pferden geradezu auf den Pelz", beschreibt Hennig, was ihm den Angstschweiß den Rücken herunter laufen lässt. Und auch Gebhardt wünscht sich etwas mehr Vernunft der Besucher: "Wer einen Huf auf den Fuß bekommt, kann sich die Schuhe ein paar Nummern größer kaufen", sagt er sarkastisch.

Fast ebenso lange wie der Festumzug, also etwa 90 Minuten, dauert das Einspannen der Tiere - jedenfalls für einen geübten Fuhrmann wie Hennig. Das Kutschieren, erzählt der 54-jährige Meister für Pferdezucht, war Bestandteil seiner Berufsausbildung. Abgespannt ist etwas schneller. Ehe die Tiere wieder in ihren Lkw verladen werden, bekommen sie Wasser und Futter, auch Gebhardt und Hennig spannen vor der Heimfahrt noch ein halbes Stündchen aus - meist an der Raststätte in Kemberg.

Ihr Brot verdienen beide mit Pferden. Gebhardt managt die Öffentlichkeitsarbeit für Pferdesportvereine und kennt daher auch alle einschlägigen Veranstaltungen in der Region, zudem führt er eben als "Bierkutscher Jochen" Besucher durch die Krostitzer Brauerei. Die Pferdefuhrhalterei Hennig bietet daheim Kutsch- und Kremserfahrten an, zudem lebt der Chef vom Filmgeschäft, bei zahlreichen Dreharbeiten, unter anderem für den ARD-Zweiteiler "Die Flucht", war er samt Kutschen engagiert. Und wenn's doch eng wird, so Hennig, "fahre ich auch mal Lkw".