Staatsgründer Staatsgründer: Peter der Große im Zwergstaat

Wittenberg/MZ - Die Rührung ist dem Mann mit dem dünnen Zopf anzusehen. Gehüllt in einen Umhang aus Kunsthermelin steht Peter Fitzek auf der Bühne einer alten Werkshalle am Stadtrand von Wittenberg. Und er empfängt mit starrem Blick die höchste Würdigung: Neben einem Tisch, auf dem die Reichsinsignien warten, lässt sich der damals 47-Jährige im September 2012 zum ersten „Souverän“ eines gleichzeitig neugegründeten Staates mit dem Namen Königreich Deutschland wählen.
Ein Jahr danach gibt es den Zwergstaat aus der Heimwerkstatt des gelernten Kochs und Ex-Karatelehrers immer noch. Und wie. Ein Bürogebäude in der Pestalozzistraße hat Fitzek zu seiner „Staatskanzlei“ gemacht. Das Areal eines verlassenen Krankenhauses erklärte er zum „Staatsgebiet“ seiner Mikronation. Und mitten in der Fußgängerzone, wo Fitzek vor seiner Königskarriere einen Esoterik-Laden betrieb, bauen seine Gefolgsleute an der ersten Filiale der „Königlichen Reichsbank“.
Fitzek, der von sich selbst in offiziellen Briefen mittlerweile in der dritten Person spricht und mit „Imperator Fiduziar“ unterschreibt, reizt Behörden wie die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) damit gezielt. In der Vergangenheit war ihm als Gründer des Vereins Neudeutschland das Betreiben von Versicherungsgeschäften mit seiner eigenen Krankenkasse bereits untersagt worden, Fitzek wurde angewiesen, seine sogenannte „Gesundheitskasse“ abzuwickeln.
Doch den Reichsgründer, der von sich sagt, er habe schon als Kind gespürt, „dass ich zu Höherem bestimmt bin“, ficht das nicht an. Fitzek, ein sehniger, durchtrainierter kleiner Herr, sieht sich selbst auf einer Mission. Als junger Mann will er erleuchtet worden sein. Seitdem dreht sich sein Leben um Zahlenmystik, den Glauben an „höhere Wesen“ und deren Macht über die Menschen. Und um den Kampf gegen den demokratischen Verfassungsstaat, den der redegewandte Herrscher für illegitim hält.
Seit Fitzek vor einigen Jahren in einem langen Brief voll rätselhafter Formulierungen seinen persönlichen Austritt aus der Bundesrepublik erklärt hat, sucht er die Konfrontation. Einmal fuhr er ohne amtliches Kennzeichen und wies dann ein selbstgemachtes vor. Dann nahm er eine Rathausangestellte fest, die eine Kontosperrung gegen ihn veranlasst hatte. Und schließlich beschlagnahmte er in der Grundschule seines Sohnes ein Buch, um die Fragwürdigkeit des dort erteilten Aufklärungsunterrichts nachzuweisen. Es geht Fitzek um Großes. Sein Ziel sei „der Aufbau eines neuen geschlossenen Gesellschaftssystems“, die bestehenden Strukturen müssten „gewaltsam aufgelöst“ werden, denn das habe er „dem Schöpfer versprochen“, sagt er in einem Interview, das im Internet zu sehen ist.
Der Wind aber bläst Peter dem Großen, wie ehemalige Gefolgsleute ihn spöttisch nennen, zusehends ins Gesicht. Im März durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft sein Reich, obwohl das doch nach Ansicht von Peter Fitzek völkerrechtlich nicht mehr zur Bundesrepublik gehört. Die Beamten suchten Belege dafür, dass Fitzek Bankgeschäfte ohne Erlaubnis betrieb - mittlerweile hat die Behörde auf beschlagnahmten Rechnern entsprechende Beweise gefunden und dem Reichsbank-Gründer eine Untersagungsverfügung zugestellt.
„Auch wenn er Gesetze nicht anerkennt, werden wir sie gleichwohl durchsetzen“, sagt Sven Gebauer von der Bafin. Fitzeks staatsrechtliche Theorien, nach denen das Deutsche Reich fortexistiert, die Bundesrepublik hingegen kein Staat ist, sondern ein bloßes Verwaltungskonstrukt unter der Fuchtel der Alliierten, sei für die Bafin „uninteressant und irrelevant“. Das Einlagengeschäft bei der Deutschen Reichsbank, die Interessierten zinslose Geldanlagen in der Fantasiewährung „Neue Deutsche Mark“ angeboten hatte, ist untersagt. Fitzek habe nun noch Zeit, Widerspruch einzulegen.
Dass er das tun wird, ist nicht ausgeschlossen, obwohl er damit die Existenz nicht nur der Behörde, sondern auch des Staates anerkennen würde, in dessen Auftrag sie handelt. „Er setzt sich ja schon mit uns auseinander, obwohl das ja eigentlich seiner Grundauffassung widerspricht“, sagt Gebauer. Bleibe die Verfügung bestehen, werde sie dann auch durchgesetzt. „Unsere Möglichkeiten reichen da von der Verhängung von Zwangsgeldern bis zur Ersatzzwangshaft.“
Der König, angetreten, alle Deutschen in eine bessere Welt zu führen, im Gefängnis? Peter Fitzek, dem zahlreiche Besucher an den Lippen hängen, wenn er in langen, kostenpflichtigen Wochenend-Seminaren über Völkerrecht, die Kraft der Gedanken oder vermeintliche Möglichkeiten zum Austritt aus dem „alten System“ spricht, scheint es nicht darauf ankommen lassen zu wollen. In einem zehnseitigen Schreiben an die aus seiner Sicht nicht existierende Bafin weist er darauf hin, dass er gar nicht plane, Bankgeschäfte anzubieten. „Der Name Königliche Reichsbank ist der Eigenname einer in der Einrichtung stehenden Sitzbank“, heißt es nun. Man plane dort nur, „Tassen, Flaggen und Kugelschreiber mit dem Logo des Königreiches Deutschland an unsere Staatsangehörigen“ zu verschenken.
Peter Fitzek, der auf ein großes Allgemeinwissen zurückgreifen kann, das er in Gesprächen mit Begeisterung ausstellt, glaubt fest daran, seinen Gegner Bundesrepublik ausmanövrieren zu können. Mit viel Fantasie interpretiert der Teilzeitdichter, der erst letzte Woche eine neue dritte Strophe für die Nationalhymne seines Reiches ersonnen hat, Paragrafen zu seinen Gunsten. Er nehme keine fremden Gelder, sondern nur „bedingt rückzahlbare Kunstgegenstände“ an, schreibt er der Bafin. Und meint damit den „sogenannten Euro“, wie er formuliert.
So etwas begeistert die königstreue Gemeinde, der Peter Fitzek wie ein Guru vorsteht. Die Wahlmonarchie, als die er selbst sein Imperium bezeichnet, ist ganz und gar auf ihn zugeschnitten. Egal, ob es um eine neue Fräse für das „Reichstechnologiezentrum“, um Presseauskünfte oder den Erlass von Verhaltensregeln für Raucher auf dem „Staatsgebiet“ geht - das letzte Wort hat hier nur einer.
Selbst manchem Sympathisanten geht das auf Dauer zu weit. Beim Videoportal Youtube klagen Abtrünnige über undemokratische Verhältnisse, Personenkult und die totale Dominanz von Peter dem Großen. „Dass alle sich auf einer Augenhöhe unterhalten, das war für mich dort nicht gegeben“, berichtet Stefan Becker, der sieben Wochen im Königreich-Vorläufer Neudeutschland lebte und noch vor der Gründung der Fitzek-Monarchie desillusioniert wieder ging.
Den Monarchen, der inzwischen nicht mehr Auskunft zu den Vorgängen in seinem Reich geben will, irritiert das nicht. Nach der Polizeiaktion, bei der im April mehr als hundert Polizeibeamte zwölf Standorte des „Königreiches“ durchsucht hatten, stellte er Namen, Dienstgrade und Telefonnummern beteiligter Beamter ins Internet. Fitzek bat seine Anhänger zugleich, ihm Informationen über die Betreffenden zukommen zu lassen. „So dass ihnen allen klar wird, so einfach mit uns machen, was man will, kann man nicht so leicht.“
Während die Staatsanwaltschaft in Dessau gegen Peter Fitzek ermittelt, plant der nächste Woche eine Jubelfeier zum Monarchie-Geburttag. Neben einem „Tag der offenen Tür“ gibt es die „Staatsangehörigkeitsprüfung“ für 397 Euro, einen Fitzek-Vortrag zu den „Entwicklungsgesetzen des Lebens“ und die feierliche Reichsbank-Eröffnung.
Angst vor Strafverfolgung, vor einem Prozess oder der möglichen Strafe von bis zu fünf Jahren Haft hat Peter Fitzek nicht. Die Ordnung des Königreiches sei „höherrangig als die Un-Ordnung der Bundesrepublik“, hat er die Bafin kürzlich wissen lassen. Und geht alles schief mit der neuen Gesellschaftsordnung, hat der Potentat noch einen Koffer in Paraguay. Dort warte ein Grundstück auf ihn, brüstete sich der Staatsführer einst im Gespräch mit der MZ. „Wer dann was von mir will, kann lange suchen.“