Sperrgebiete Sperrgebiete: Militärisches Erbe ist eine Belastung für Generationen
WITTENBERG/MZ. - Und er ist ein eindrucksvoller wie warnender Beleg dafür, welche Gefahren auf Kampfmittelverdachtsflächen nach wie vor lauern können. Im Landkreis Wittenberg gelten neben der Glücksburger Heide auch die Oranienbaumer Heide sowie das ehemalige Werksgelände der Westfälischen Anhaltinischen Sprengstoff Aktien-Gesellschaft (Wasag) bei Reinsdorf als kontaminiert. Hinzu kommt ein Schnipsel des einstigen Übungsgeländes "Kleckewitzer Heide" bei Möhlau und der nach wie vor aktive Truppenschießplatz der Bundeswehr in der Annaburger Heide.
17 Jahre ist es her, seit die letzten sowjetischen Streitkräfte 1992 die Region verlassen haben. Offenbar verblassen entlang der militärischen Sperrgebiete die Erinnerungen an die Soldaten der GUS-Truppen. Zunehmend werden Stimmen laut, die eine Nutzung der Heiden fordern. "Wir werden oft gefragt, wie akut die Gefahr tatsächlich noch ist", erzählt Götz Lehmann, Abteilungsleiter im Fachdienst Ordnung beim Landkreis Wittenberg. Nach der Gefahrenabwehrverordnung für Kampfmittel, vom Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt erlassen, überwacht der Kreis den Umgang mit den betreffenden Flächen. An der Brisanz, sagt Lehmann, habe sich nicht viel geändert. Die explosiven Andenken werden noch Generationen beschäftigen, ist beispielsweise Jürgen Schmidt vom Einsatztrupp des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Dessau überzeugt. "Für eine gründliche Beräumung aller Verdachtsflächen fehlt das Geld", weiß auch Lehmann.
Die nackten Zahlen erschrecken. Alleine im 2 800 Hektar großen Sperrgebiet der Glücksburger Heide wurden im Rahmen einer Oberflächensondierung 48 000 Stück scharfer Munition gefunden. Darunter waren 321 Sprenggranaten, 37 Bomben mit einem Gewicht von 20 Kilo und 16 Bomben größeren Kalibers, berichtet Andreas Bräse, Mitarbeiter im Ordnungsamt. Ohnehin gilt die Glücksburger Heide mehr als alle anderen Sperrgebiete als Sorgenkind. Hier probte schon die Wehrmacht den Bombenabwurf aus Kampfflugzeugen.
Einen Kilometer im Durchmesser misst das einstige Zielgebiet. Geschnitten wird das Glücksburger "Bombodrom" in Ost-West-Richtung von der Dahmschen Straße. Dieser Weg kann genutzt werden, nachdem die Route in einer Breite von 33 Metern tiefenberäumt wurde. Auch der Radwanderweg rings um die Glücksburger Heide gilt als sicher. Die Sperrzone an sich ist hingegen tabu. Wer sich über die Verbote hinwegsetzt, riskiert nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch ein Bußgeld.
Dennoch bemüht sich der Bund als Eigentümer der belasteten Flächen um Nutzungsmöglichkeiten für die Areale im Landkreis. Unter anderem wollte er Ende der 1990er Jahre 300 Hektar Wald aus der Oranienbaumer Heide verkaufen. Bund und Landkreis einigten sich auf eine Untersuchung von Grund und Boden. Eine Firma wählte Musterparzellen in der Größe von zehn Mal zehn Metern aus und untersuchte den Untergrund nach Munition. Über das Ergebnis herrschte Streit. Der Kreis sah das Gefahrenpotential bestätigt und versagte seine Zustimmung; der Bund zog daraufhin vor das Verwaltungsgericht und unterlag.
Was der Oranienbaumer Heide vorerst bleibt, ist das Projekt der Hochschule Anhalt (die MZ berichtete). 50 Heckrinder und mehrere Konikpferde weiden auf einem etwa 350 Hektar großen, eingezäunten Gebiet. Sie sollen die Trockenrasenflächen der Heide ohne den Einfluss des Menschen erhalten. Vorgesehen ist eine Ausweitung des Projektes auf 900 Hektar.
Götz Lehmann warnt unterdessen davor, an Fundmunition herumzuhantieren. "Die Teile werden gefährlicher, je länger sie liegen." Die Bergung sollte man zwingend den Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes überlassen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch dem Leichtsinn, das muss Lehmann niemand sagen, sind oft keine Grenzen gesetzt.