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Soziales Soziales: Stricken oder einfach nur Reden

23.10.2009, 08:41

Gräfenhainichen/ddp. - Es ist ein gemütliches Kaffeekränzchen mitKlatsch und Tratsch und viel bunter Wolle. Auf die Damen warten hierKuchen und Schlagsahne und - viel wichtiger noch - jemand zum Reden.

Fester Bestandteil der Runde ist die 70-jährige Renate Hartmann.Sie kommt seit vielen Jahren her und das nicht nur des Strickens unddes Kuchens wegen. «Wir sind eine Gemeinschaft, helfen uns beiProblemen und fangen einander auf», sagt sie. Traurige Geschichtenvon Tod und Krankheiten gehören zum wöchentlichen Gesprächsstoff derbetagten Runde ebenso wie das Schwelgen in Erinnerungen. Eine derFrauen unterbricht ihre Wollarbeiten und kramt ein altes Foto hervor.«Der vorne in der ersten Reihe. Wer war das noch mal? Wie hieß derdenn gleich?» Vom Nebentisch, an dem sich eine Runde Kartenspielereingerichtet hat, kommt postwendend die Antwort: «Das ist doch derSohn vom Holzschreiner.»

An fünf Tagen in der Woche ist die Einrichtung geöffnet.Überwiegend bietet sie Betreuungsangebot für ältere Menschen. «Wirhaben aber auch eine Gruppe für junge Mütter», sagt Uta Sandmann. Die49-Jährige leitet seit 1984 den Regionalverband und hat die Aufgabevon ihrer Großmutter übernommen. Allein in Sachsen-Anhalt unterhält der Verein 13 Kreis- und Regionalverbände mit mehr als 50 000Mitgliedern und fast 4900 ehrenamtlichen Helfern.

Neben der Bastel- und Handarbeitsstunde, dem «Strickzirkel»,beinhaltet das Programm unter anderem eine Sportgruppe undChorsingen. Einmal im Jahr organisiert Sandmann für die Gruppe einenBesuch der Bundesgartenschau. Rund 30 Personen nutzen die Angeboteregelmäßig, Männer und Frauen gleichermaßen. Hinzu kommen hin undwieder ein paar neue Gesichter. «Wir sind für alle und jeden offen»,sagt Sandmann.

Im Handarbeitskreis sucht man die Männer allerdings vergeblich.«Die trauen sich alle nicht zu uns», erzählt Rentnerin Hartmannlachend. «Nur selten verirrt sich einer hierher.» Vor ihr auf demTisch liegt ein Katalog für Damenmode in Übergroßen. Nach dem Motto«Was die können, können wir schon lange» suchen sich die Damen Motiveaus, die ihnen gefallen. Das aufgeschlagene Foto dient in diesem Fallals Vorlage für einen Strickpulli.

Gelernt haben die versammelten Damen den Umgang mit den langenNadeln schon früher. Aber noch heute hat immer mal wieder jemandeinen guten Tipp parat. Wenn einmal keine Stricknadel greifbar ist,erfüllt ein einfacher Schaschlik-Spieß genauso gut den Zweck. «DieFrauen bringen sich hier gegenseitig etwas bei«, sagt LeiterinSandmann. »Da lernt eine von der anderen.»

Zu besonderen Anlässen lassen die Damen Wolle und Nadeln schoneinmal zu Hause. Dann nämlich, wenn unter professioneller Anleitunggetöpfert oder Schmuck gefertigt wird. Solche Tage sind auch fürLeiterin Sandmann eine willkommene Abwechslung. Denn unterstützt wirddie 49-Jährige sonst nur von Ein-Euro-Jobbern oder Leuten, dieSozialstunden ableisten müssen. Für mehr Betreuungspersonal fehlt dasGeld. «Wir sind komplett auf Spenden angewiesen», klagt sie.

Im kommenden Jahr feiert die Volkssolidarität ihr 65-jährigesBestehen. Bis dahin werden die Damen vom «Strickzirkel» noch das einoder andere Wollknäuel verarbeiten.