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Sonntagsvorlesung in Wittenberg Sonntagsvorlesung in Wittenberg: Keine Angst vor "König Heinz"

Von Karina Blüthgen 18.04.2016, 08:08
Spannend und faktenreich deckt Dorothea Wendebourg in der Sonntagsvorlesung das Spannungsfeld zwischen Luther und Heinrich VIII. auf.
Spannend und faktenreich deckt Dorothea Wendebourg in der Sonntagsvorlesung das Spannungsfeld zwischen Luther und Heinrich VIII. auf. Klitzsch

Wittenberg - Es waren nicht gerade feine Worte, die sich Englands König Heinrich VIII. und der Wittenberger Reformator Martin Luther gegenseitig brieflich zukommen ließen. Hatte sich der König 1521 in einer Schmähschrift äußerst polemisch und mit harter Kritik über Luthers Text von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche geäußert und ihn einen „größeren Schädling als alle Türken und Sarazenen“ genannt, zahlte es ihm Luther mit gleicher Schärfe zurück. Er warf dem Oberhaupt Englands Lüge und schwache Argumente vor und titulierte ihn durchweg als „König Heinz“.

Diesen Ton, so Luther, habe sich der König selbst zuzuschreiben. Denn seine, Heinrichs, Beschimpfung, sei mit der königlichen Würde unvereinbar. Da half es auch wenig, dass der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise den Reformator schriftlich zur Mäßigung aufrief. Luther hatte es oft genug erlebt, dass ihm seine unpolemischen Schriften nur die Verleumdung seiner Gegner eingetragen hatten. Nein, geboten sei jetzt eine „scharfe Rede, an der sich die Geister scheiden“, befand er.

In der vierten Sonntagsvorlesung der Reihe „Von Wittenberg in die Welt“ richtete die Theologin Dorothea Wendebourg in einem überaus spannenden und detailreichen Vortrag den Blick nach England. Dort habe man relativ früh Kontakt mit Luthers Schriften gehabt. Andererseits brachten englische Studenten Neuigkeiten von der Insel ins beschauliche Wittenberg mit. Doch die eingangs geschilderte Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes (welch aktuelles Thema!) belastete die Beziehungen zwischen Kursachsen und England über Jahre.

Denn der heftige Wortwechsel war mit Luthers heftiger Erwiderung nicht zu Ende. Der Information des dänischen Königs zufolge, dass Heinrich gar nicht der Verfasser der Schmähschrift gewesen sei, er vielmehr bald der protestantischen Lehre zugeneigt sein werde, schrieb Luther nach langem Zögern letztlich einen demütigen Entschuldigungsbrief. „Selten hat sich der Reformator so blamiert wie mit diesem Brief“, lautete das Fazit der Referentin. Denn Heinrich hatte keineswegs die Absicht, sich den Protestanten anzuschließen. Vielmehr glaubte er nun an eine List, damit die neue Lehre in England verbreitet werden könne.

Doch die ätzende Häme, mit der Englands König 1526 Luther vorführt, erwiderte der Reformator diesmal nicht. Es reue ihn nicht, weil er es dem Evangelium zuliebe getan habe, und er würde es wieder tun, so der Wittenberger. Näheren Kontakt zwischen Protestanten und Engländern gab es erst wieder mit Gründung des Schmalkaldischen Bundes 1531. Anfangs gab sich der König distanziert gegenüber dem Werben um ihn als Bundesgenossen. Nach seinem Bruch mit der katholischen Kirche 1534 zeigte er sich interessiert. Vor allem Melanchthon wünschte er sich in mehreren Schreiben als Partner bei Religionsverhandlungen in England. Die fanden letztlich 1535/1536 in Kursachsen statt.

Sieben Monate saßen die Gesandtschaften zusammen. Einig wurde man sich nicht, Heinrich mochte auf Dinge wie Privatmesse und Pflichtzölibat der Priester nicht verzichten. Letztlich mussten die Wittenberger erkennen, dass Heinrich VIII. den Bruch mit dem Papst nicht um des Evangeliums willen, sondern aus eigener Initiative vollzogen hatte (weil der Papst seine Ehe nicht annullieren wollte). Luther lakonischer Kommentar dazu: „Er bleibt König Heinz.“ (mz)