SIG Combibloc in Wittenberg SIG Combibloc in Wittenberg: Blühendes Gewerbegebiet

Wittenberg - „Auf der Wiese ist jetzt mächtig was los. Es wimmelt geradezu“, sagt Kerstin Siebert. In der Tat: Es brummt und summt vielstimmig zwischen dem vermeintlichen Wildwuchs, das Violett der Blume Phacelia beherrscht die etwa vier Hektar große Fläche vor den Firmentoren.
Siebert ist unter anderem für das Personal bei einem der großen Industriestandorte in Wittenberg, der SIG Combibloc, verantwortlich. Der Kartonhersteller, Platz zwei hinter dem Konkurrenten Tetra Pac, ist ein internationaler Player, hat Standorte auf der ganzen Welt, von China über Thailand, von Österreich bis hin zur Schweiz.
Nun blühen nacheinander Kornblumen, Sommerwicken, Ringelblumen, Klee, Buchweizen und Sonnenblumen auf einer ehemaligen Brachfläche auf der anderen Straßenseite, eine Reihe von Holzkästen markiert die vier Bienenvölker, die sich hier eingewöhnen sollen. Und warum?
Umweltfreundlich oder nicht?
Das Unternehmen bemüht sich offenkundig um ein ökologisches Bild. Nicht ohne Grund. Verbundverpackungen, in denen eine dünne Plastikschicht Flüssigkeiten vom Auslaufen abhält, sind nicht unumstritten.
Einerseits können Getränke- und Nahrungskartons recycelt werden und sind leicht, was den Transport energieeffizient macht. Andererseits ist die Folie schwierig vom Karton zu trennen. Dazu , ob Kartonverpackungen für Lebensmittel nun umweltfreundlich sind, gibt es daher unterschiedliche Ansichten.
Wohl auch deshalb will sich das Unternehmen an allen sieben Standorten grüner aufstellen. „Bis 2030 werden wir unseren ökologischen Fußabdruck halbieren und unseren Beitrag für die Gesellschaft verdoppeln“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Alle Rohstoffe stammten aus zertifizierten, verantwortungsvollen Quellen.
Man wolle „Net Positive“ werden, also Gesellschaft und Umwelt mehr geben, als man ihr nimmt. Am Rande dieses Versprechens hat sich ein ehrenamtliches Team von Mitarbeitern nun an die Blühwiese gemacht und dort unter anderem Sitzkrücken für Greifvögel aufgebaut. Die Feldarbeit übernahm die Agrargenossenschaft Apollensdorf, die erst pflügte und dann die Samenmischung, die die Firma Syngenta aus Magdeburg sponserte, ausbrachte.
Junge Völker für die Wiese
Der Apollensdorfer Imker Detlef Bethge lieferte noch einige Nutznießer für die blühende Wiese: vier Jungvölker Carnica-Honigbienen. Er begrüßt das Projekt. „Es ist ein guter Ausgleich für die großen Monokulturen in der Landwirtschaft“, sagt er. Die Bauern im Landkreis bauten fast nur Getreide und Mais an, der Raps sei dieses Jahr wegen der Trockenheit ausgefallen. Das mache es den Bienen schwer, noch ausreichend Nahrung zu finden.
Die Völker auf dem SIG-Gelände sollen in diesem Jahr noch keinen Honig zum Verzehr produzieren, sondern sich erst einmal eingewöhnen und ihr Volk vergrößern. „Es war lange sehr trocken, die Honig-Ausbeute dürfte sich in Grenzen halten“, sagt der Imker. Aber die Blühwiese sei nicht nur für seine Bienen ein Gewinn. „Besonders Wildbienen profitieren“, sagt er. Während der Imker seine Schützlinge notfalls ernähren kann, sieht es bei den wilden Insekten anders aus. Gerade für die sei eine Blühwiese eine echte Hilfe.
Kerstin Siebert von SIG Combibloc und ihr Team hoffen, dass ihr Projekt auch ein Anstoß für die benachbarten Firmen im Gewerbegebiet ist. „Wir könnten uns auch vorstellen, dass wir weitere Flächen zu Blühwiesen machen“, sagt sie.
Warum gibt es weniger Bienen?
Die Zahl der kommerziellen Bienenstöcke in Deutschland ist laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen in den letzten 50 Jahren von zwei Millionen auf etwa 700000 gesunken. Allerdings ist nicht jede Region gleich stark betroffen. Untersuchungen zeigten, dass vor allem Infektionen mit Milben oder Viren sowie mangelndes Fachwissen der Imker an den starken Rückgängen schuld sind.
Abschließend ist die Wissenschaft zu keiner Erkenntnis gelangt. Umweltverbände gehen zudem davon aus, dass die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, Luftverschmutzung, Klimawandel und Pestizide am Verschwinden der Bienen aus unseren Breiten schuld sind.
(mz)
