Schon Luther erlebte Epidemien Schon Luther erlebte Epidemien: So ging man damals mit den Krankheiten um

Wittenberg - Auf Bannern an verschiedenen Stellen in der Stadt wünscht Martin Luther den Wittenbergern, dass sie gesund bleiben sollen. Wie sah es zu seiner Zeit mit Seuchen aus?
Martin Luther erlebte in seiner Wittenberger Zeit von 1508 bis 1546 fünf Pestepidemien. Wer konnte, floh aus der Stadt und die Universität stellte mehrfach für einige Monate den Lehrbetrieb ein. Privilegierte Bürger hatten über das Röhrwasser einen eigenen Wasseranschluss und mussten sich nicht aus den Stadtbächen bedienen. Durchfallerkrankungen waren an der Tagesordnung und mancher Student starb jung. Das Tagesgetränk im Knabenhaus war Kovent, ein abgekochtes Dünnbier für die Kinder.
40 Tage Quarantäne
In Pestzeiten wurden die Kranken isoliert, in Seuchenhäuser geschafft oder von einem Angehörigen gepflegt, der sich damit selbst in Quarantäne begab. Die Absonderung wurde bereits im 14. Jahrhundert im Mittelmeerraum (1377 Ragusa / heute Dubrovnik) eingeführt und 1448 in Venedig auf 40 Tage =„quarantena“ verlängert. Auch der Ursprung heutiger Reisepässe stammt aus der Pestzeit in Venedig.
Ankommende Schiffe, Reisende und Händler mussten sich mit einem Pestbrief ausweisen. Kamen sie aus einem Seuchengebiet mussten sie vor der Stadt in Quarantäne gehen, um nicht auf die Stadtbevölkerung zu treffen. Daher leitet sich der englische Name „passport“ (den Hafen passieren) für einen Reisepass ab.
In Wittenberg ließ die Stadtwache sichtbar malade Besucher nicht durch eines der drei Stadttore. Dass Ungeziefer und Unrat eine Rolle spielten bei der Verbreitung der Pest ahnte man, die Überträger waren Rattenflöhe, Ratten deren Wirtstiere.
Letzte Flucht
Pestausbrüche gab es in Wittenberg 1506, 1516, 1527, 1535, 1538/39, 1552, 1566, 1577, 1582/83, 1598 und noch mehrmals im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts.
1527 blieb Luther als bekannter Reformator und Familienvater selbst in der Stadt und nahm sogar Pestkranke in seinem Haus auf, während einige Professoren, Ärzte und Stadträte aus der Stadt flohen. Luther forderte, dass Amtspersonen, Priester und Angehörige von Pestkranken künftig in der Stadt bleiben sollen.
Am 4. November 1527 schrieb Luther an Justus Jonas nach Nordhausen „Christus möge bewirken, dass diese Pest aufhört… an zwei Tagen gab es 12 Tote.“ Wegweisend für die Zukunft war Luthers Vorschlag, Verstorbene künftig nicht mehr auf dem Kirchhof zu bestatten, sondern außerhalb der Stadt.
Kurfürst Moritz von Sachsen (1521-1553) war ab 1541 Herzog der albertinischen Linie des Hauses Wettin. Nach der Niederlage der Ernestiner in der Schlacht bei Mühlberg verlieh ihm Kaiser Karl V. am 4. Juni 1547 im Feldlager bei Bleesern vor den Toren Wittenbergs die Kurwürde.
Es kamen Händler in die Stadt und Studenten aus halb Europa. Neben Waren wurde ungewollt mancher Krankheitskeim eingeführt. Die hygienischen Verhältnisse in der Festung, die von zwei Bächen durchzogen wurde, taten ein Übriges. Im Oktober 1551 liest Kurfürst Moritz den Wittenberger Räten die Leviten in Sachen Sauberkeit in der Stadt.
Er lässt über einen Schreiber ausrichten: „Liebe Getreue, dieweil unserer Universität durch Gottes Verleihung in gutem Wesen gehalten und hierinne mancher von Adel und sonst geneigt, seine Kinder und Freunde dahin zu schicken, dass gute Sauberkeit auf Gassen und Fließbächen sei. Weil ihr darbey wenig Fleiss verwendet und Unkosten sparet, begehren wir, dass Marckt und Gassen jedes vor seinem Haus kehret und den Unflath aus der Stadt führet.“
Im November 1552 kam Katharina von Bora wegen der nahenden Pest aus Wittenberg nach Torgau. Es sollte ihre letzte Reise werden. Hinter Pretzsch geriet ihr Wagen in einen Graben und kippte um. Die „Lutherin“ stürzte zu Boden und erlitt einen Hüftbruch. Nach drei Wochen Krankenlager unter großen Schmerzen starb sie 53-jährig am 20. Dezember 1552.
200 Jahre später
Dass die Beseitigung von Fäkalien von dicht besiedelten Orten die Verbreitung von Infektionen verhindern kann, wusste man im 18. Jahrhundert in Preußen. König Friedrich Wilhelm I. (1713- 1740) ließ erstmals Kasernen für sein stehendes Heer errichten. Die Gebäude waren von Latrinengestank erfüllt und die mangelnde Hygiene durch Fäkalkeime führte wiederholt zum Ausbruch der infektiösen Gelbsucht (Hepatitis) unter den Soldaten.
1694 gründete Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, der spätere König Friedrich I. in Preußen, in Halle eine neue Universität „Fridericiana“, die dem Pietismus und der Aufklärung verpflichtet war. Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde Wittenberg Preußen zugeschlagen, da Sachsen auf der Seite Napoleons stand.
Die Wittenberger und die hallesche Universität wurden 1817 zur Vereinigten Friedrichs-Universität am Standort Halle zusammengeführt. Das Wittenberger Schloss wurde zur Kaserne umgebaut und auf dem Gelände der früheren Leucorea wurde eine neue Kaserne errichtet mit Schlafsälen für die Mannschaften und einen Kasernenhof für den Drill. Es war eine Reihe von Latrinen errichtet, deren Beräumung und Abfuhr durch Wittenberger Fuhrleute quartalsweise ausgeschrieben wurde. (mz)