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Schmaler Grat zwischen Vernunft und Verrohung

Von Stefanie Hommers 20.11.2005, 15:20

Wittenberg/MZ. - Mit William Goldings Weltbestseller "Herr der Fliegen" hat der Theaterjugendclub Chamäleon einen höchst symbolträchtigen Stoff adaptiert, der eindrucksvoll dokumentiert, wie dicht Gefahren unterhalb der bändigenden Hülle von Kultur und Zivilisation lauern, wie schnell die Vernunft ihre Vorherrschaft verliert.

Der 1954 erschienene Roman Goldings, für den der Brite 1983 den Literaturnobelpreis erhielt, gehört vielfach zur Pflichtlektüre im Englisch-Unterricht und hat auch ein halbes Jahrhundert nach Erstveröffentlichung nichts von seiner Brisanz verloren.

Die Rangkämpfe zwischen dem vernünftigen Ralph (Tobias Grunemann) und dem forschen, vorlauten Jack (Mathias Vogel) um die Meinungsführerschaft unter den Jugendlichen führt rasch zu Spannungen, die Gemeinschaft spaltet sich in zwei rivalisierende Gruppen. Ralphs Schar, bestehend aus Piggy (Sebastian Göthel), Erica (Katharina Dammer), Sam (Anina Räuchle) und Simon (Steven Slavicek) hütet das Feuer, Jacks Truppe mit Julia (Julia Herkt), Henry (Hagen Dorn), Maurice (Christian Meinel) und Bill (Robert Lukascyk) geht hingegen auf die Jagd nach wilden Tieren.

Schwankt die Inszenierung anfangs etwas unentschieden zwischen fröhlichem Ferienlagerabenteuer und tiefgründiger Gesellschaftskritik, steigern die Darsteller Dramatik wie spielerische Leistung im Laufe der Vorstellung deutlich. Der Gänsehautfaktor im Publikum nimmt zu, während die Jäger ihre Kontrahenten immer hemmungsloser bekämpfen, die jungen Mimen ihren Figuren dabei immer intensiver Kontur und Tiefe verleihen und schließlich das Blut nicht nur bei der Pirsch auf Wildschweine fließt.

"Ohne Kultur keine Gemeinschaft", fasst Regisseur Dirk Lüdecke die Botschaft knapp zusammen. Eine These, die der Theatermann indes nicht nur auf das Stück angewandt wissen will. So verstanden sei der soziale Aspekt bei der Arbeit des Theaterjugendclubs wichtiger als der künstlerische, findet er.

Seine Mutter Christa Lüdicke formuliert noch ein wenig anders: "Kinder sind das, was wir aus ihnen machen." Vom Publikum gab es für das Ergebnis dieser Anstrengungen jede Menge Beifall.