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Schließung "Jägerheim"  Schließung "Jägerheim" : Wittenberger Peripherie Gaststätten kämpfen

Von Marcel Duclaud 28.02.2016, 14:00
Dieses Bild wird es künftig nicht mehr geben: Monika Clauß und Olaf Dähne am Tresen des „Jägerheims“ in der Friedrichsstraße. Die Wirtsleute schließen das Traditionslokal per 1. März.
Dieses Bild wird es künftig nicht mehr geben: Monika Clauß und Olaf Dähne am Tresen des „Jägerheims“ in der Friedrichsstraße. Die Wirtsleute schließen das Traditionslokal per 1. März. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Wieder eine weniger. Zumindest außerhalb des Wittenberger Zentrums werden die Gaststätten allmählich rar. Der Montag ist der letzte Tag für ein traditionsreiches Gasthaus: Das „Jägerheim“ in der Friedrichstraße macht zu, ab 1. März wird dort kein Essen mehr serviert, kein Bier mehr gezapft.

Das Betreiberpaar, Monika Clauß und Olaf Dähne, nimmt Abschied, nicht unbedingt leichten Herzens. Beide haben das Traditionslokal, das 2015 110 Jahre alt geworden ist, gerne geführt: „Ich bedauere die Jahre auf keinen Fall. Dass die Gäste mir fehlen werden, weiß ich schon jetzt. Es ist mehr als ein Job.“ Der lohne schon allein wegen des Vertrauens, das die Gäste schenken, erklärt Dähne, der ein bewegtes Leben hinter sich hat, die Arbeit als Wirt in seiner einstigen Stammkneipe ist nur eine Station.

Komplett zurückziehen werden sich Monika Clauß und Olaf Dähne nicht. Sie haben das eine Gewerbe ab- und ein anderes bereits angemeldet. Und zwar den Partyservice Clauß, den sie künftig von ihrem Haus in der Friedrichstraße 49 aus betreiben. Dort gibt es nach ihren Angaben auch einen Raum für etwa 20 Personen. Damit ist Platz genug vorhanden, um die aus dem „Jägerheim“ bekannte erfolgreiche Veranstaltung „Stricken und Kaffeeklatsch“ an einem neuen Ort fortzuführen.  (mz/mac)

Der Tag des Endes des Wittenberger „Jägerheims“ ist nicht zufällig gewählt, just am 1. März 2001 haben Dähne und seine Lebensgefährtin das Gasthaus übernommen. Nun, genau 15 Jahre später hören sie auf - aus „gesundheitlichen und Altersgründen“, wie sie formulieren. Beide werden 62 Jahre alt. Allerdings verschweigen sie nicht, dass es schwerer geworden ist, sich über Wasser zu halten als Gastronom. Sie hatten parallel einen Partyservice betrieben: „Als zweites Standbein, ohne das hätten wir wohl nicht überlebt.“

Dähne, der beim Kreisverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) aktiv ist, weiß, dass es anderen ähnlich geht. Allein mit der reinen Gastronomie sei es kompliziert, ein zweites Standbein vonnöten. Gasthäuser wie seines mit Hausmannskost und Getränken befinden sich generell auf dem Rückzug in Deutschland. Das hat eben auch mit mangelndem Zuspruch zu tun: „Uns hier fehlen zwei Generationen. Jene, die nach 1990 weggegangen sind, und deren Kinder.“

Hinzu komme das veränderte Freizeitverhalten der jungen Generation. „Mit Karten und Würfeln spielen die nicht mehr.“ Im Jägerheim hielten acht Vereine regelmäßig ihre Vorstandssitzungen ab: „Nachwuchsprobleme haben alle.“ Dähne konstatiert überdies ein gewisses „Einigeln“.

Die Wirtsleute des „Jägerheims“ wollten gerne, dass die Gasthaus-Tradition in der Friedrichstraße nicht abreißt. Sie haben eigens jetzt schon aufgehört, um eventuellen Nachfolgern den Start zu erleichtern. Das Jubiläumsjahr 2017 mit seinen mutmaßlich vielen Gästen wäre ein guter Beginn gewesen für neue Betreiber: „Wir haben intensiv versucht, Nachfolger zu finden. Über die Zeitung, über die Industrie- und Handelskammer, über die Dehoga.“ Interessenten, so Dähne, habe es schon gegeben - allerdings mit „unüberlegten Modellen“. Deshalb ist das „Jägerheim“ ab morgigem Dienstag Geschichte. Der Montag ist natürlich ausgebucht, viele Stammgäste haben bereits ihr Kommen angekündigt.

Für die Betreiber dürfte es kein ganz leichter Tag werden. An dem kann Olaf Dähne noch mal die Geschichte erzählen, wie er, der Diplomingenieur für Verfahrenstechnik, der einst in der Forschung des Stickstoffwerkes gearbeitet hatte (und später auch mal als Schichtleiter bei Unilever in Pratau), als Quereinsteiger hinter den Tresen des „Jägerheims“ kam: Das Gasthaus war seit 1967 seine Stammkneipe, 1997 kündigte der einstige Wirt an, aufhören zu wollen, wenn er 60 Jahre alt wird: „Ich sagte spontan: Ich übernehme das.“ (mz)