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Schlaflose Nächte bei Mercedes-Auftrag

Von Karina Blüthgen 05.07.2006, 15:49

Straach/MZ. - An den Wänden hängen die Meisterbriefe von Großvater Willy Thiele und Vater Horst Thiele, die beide im Elektrobereich tätig waren. Dass er selbst einmal die Familientradition fortsetzen würde, hatte Jörg Thiele ursprünglich nicht geplant. "Als ich meine Berufsausbildung machte, war mein Vater nicht selbständig. Und ich hatte auch ganz andere Interessen", sagt Jörg Thiele. Doch als Veterinäringenieur wurde er nach der Wende arbeitslos und nach einigen Versuchen, sich über Wasser zu halten, habe sein Vater zu ihm gesagt, er solle doch bei ihm anfangen.

Horst Thiele hatte seine Werkstatt nämlich am 1. Mai 1990 wieder eröffnet. "So habe ich mich noch einmal fünf Jahre auf die Schulbank gesetzt", fügt Jörg Thiele hinzu. "Es ist zwar manchmal schwierig, aber rückblickend, denke ich, war es ganz gut." Dafür hat er im vorigen Jahr sogar den Cranach-Preis bekommen, als einer von drei Unternehmern in Nachfolge. Beruflich hat er eine Nische gefunden, wie es im Fachjargon so schön heißt . "Wir arbeiten mit zwei Anlagenbaufirmen zusammen, die sich auf Bühnentechnik spezialisiert haben", erzählt Thiele. "Außerdem fertigen wir Steuerungen für Krananlagen und Sonderkrananlagen."

Projektiert wird nichts, "die Pläne bekommen wir von den Konstrukteuren. Wir bauen hier die Schränke, schließen sie dann vor Ort an und nehmen sie mit dem Konstrukteur in Betrieb." Kaum ein Teil ist wie das andere, derzeit arbeiten Thiele, seine zwei Monteure und ein Lehrling unter anderem an Steuerpulten für das ehemalige Metropol-Theater (heute Admiralspalast) in Berlin. "Wir haben in Berlin inzwischen fast alle Theater durch", sagt Jörg Thiele. Gebaut werden kann nur in Spielpausen, zuweilen unter tüchtigem Zeitdruck. "Deshalb ist im Sommer unsere Hauptarbeitszeit."

Derzeit ist im Senftenberger Theater die Elektroinstallation zu erneuern, im August hat die Firma in Aschaffenburg zu tun. "Bühnentechnik ist heute Hightech vom Feinsten", weiß er und kennt sich aus im stufenweisen Anheben einzelner Bühnenteile, der Steuerung für Drehbühnen und den Schaltanlagen an Theater-Portalbrücken für Beleuchtung und anderes. "Es reizt schon, immer wieder neue Aufgaben zu übernehmen, denn jede Steuerung ist anders."

Eines der größten Auftragsvolumen im fünfstelligen Bereich war die Ausführung der Schaltanlage für die Autohebeanlage im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. "Die Anlage hebt 40 Tonnen, damit wurden sämtliche Exponate ins Museum gebracht", erzählt er nicht ohne Stolz. Auch wenn er, wie er immer betont, "nur" die Schaltanlage, Elektroinstallation und die Verkabelung realisiert hat, "da hatte ich wirklich schlaflose Nächte." Sogar in Österreich und in der Schweiz war Thieles Firma tätig.

Größtes Objekt war die Schaltanlage für einen 150-Tonnen Kran. Bei allem Enthusiasmus über solche ungewöhnlichen Aufgaben, "50 bis 60 Prozent unserer Arbeit liegen in herkömmlicher Elektrotechnik vor allem für Industrie und Gewerbe." Eine gute Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin lobt Thiele, für die die Straacher Firma etliche Jahre die Revisionsarbeiten an ortsfesten Anlagen übernahm. "Das ist ein gutes Arbeitsklima", sagt er.

Zwölf Stunden täglich ist Jörg Thiele, der in Belzig wohnt, unterwegs. Im Durchschnitt wohlgemerkt. Was ihn belaste? "Vor allem die unstete wirtschaftliche Lage, aber das geht anderen auch nicht besser." Zudem sei die Zahlungsmoral durchwachsen, "wir hatten zum Glück bisher zur zweimal einen völligen Ausfall." Von seinen drei Söhnen macht noch keiner Anstalten, mal in seine Fußstapfen zu treten. Aber da ist wohl noch Zeit.