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Richard Wiener Richard Wiener: Happy Birthday, Ehrenbürger!

Von Corinna Nitz 07.08.2017, 08:46
Wittenbergs Ehrenbürger Richard Wiener, hier beim Stadtfest „Luthers Hochzeit“ 2016, wird am 7. August 90 Jahre alt. Er feiert zu Hause in Rockville, USA.
Wittenbergs Ehrenbürger Richard Wiener, hier beim Stadtfest „Luthers Hochzeit“ 2016, wird am 7. August 90 Jahre alt. Er feiert zu Hause in Rockville, USA. Archiv/Baumbach

Wittenberg - Wäre es nach den Nazis gegangen, hätte Richard Wiener vermutlich nicht einmal das Teenageralter erreicht. Doch dann konnte der Wittenberger Anfang Februar 1939 mit einem Kindertransport aus Deutschland nach England in Sicherheit gebracht werden.

Dort und wenig später in den USA begann für den Juden aus der nun fernen Lutherstadt mit seiner Familie ein neues Leben. Heute feiert der Jurist im (Un)Ruhestand und Ehrenbürger von Wittenberg zu Hause in Rockville seinen 90. Geburtstag.

Dabei ist es gefühlt erst gestern gewesen, dass Wiener 2016 im Gewand eines Ratsherrn im Umzug beim Stadtfest „Luthers Hochzeit“ mitlief. Er war ganz offiziell eingeladen, bei „wichtigen“ Veranstaltungen regelt das die Wittenberger Ehrenbürgersatzung, hieß es ehedem verwaltungsstaubtrocken aus dem Rathaus.

Aber auch, und das vielleicht vor allem, dass es eine Herzensangelegenheit sei, Wiener zu empfangen. Er selbst legte übrigens Wert darauf, dass dieser neuerliche Besuch keine Touristenvisite sei, sondern eine „Heimkehr“. Es soll, wie er nun, zwei Tage vor dem großen runden Geburtstag, auf Nachfrage erklärte, auch nicht der letzte Besuch gewesen sein. Nächstes Jahr wolle er wiederkommen, „auf alle Fälle, so Gott will“.

Die Zeit bis dahin, das zeichnet sich dieser Tage bereits ab, könnte ähnlich ausgefüllt und erfüllt sein, wie es das zurückliegende Jahr gewesen sein muss. Was hat Wiener nicht alles gemacht und macht es noch: Etwa nimmt er Klavierstunden. Und er habe 50 (!) Gedichte geschrieben, die demnächst veröffentlicht werden sollen.

Richard Wiener wurde am 7. August 1927 in Wittenberg geboren, dorthin war seine jüdische Familie nach dem Ersten Weltkrieg umgesiedelt, dort errichtete sein Großvater Baruch Wiener eine Schuhfabrik. Richard Wieners erste Jahre waren unbeschwert, alles änderte sich mit der Machtergreifung der Nazis. Die Familie konnte sich jedoch in Sicherheit bringen. In den USA studierte Wiener Jura und wurde als Patentanwalt tätig. Wer mehr über Wieners Leben erfahren möchte, dem sei seine mit zahlreichen Abbildungen illustrierte Autobiografie „Meine Reise ins Überleben - Von Unterdrückung und Vergebung“ (im Englischen „Survivor’s Odyssee. From Oppression to Reconciliation“) empfohlen. Die Deutsche Ausgabe ist 2014 im Drei-Kastanien-Verlag von Mario Dittrich in Wittenberg erschienen. 

Außerdem habe er sich entschlossen, einen Friedensgarten bei einer Universität in Kentucky zu stiften. Dort werde er nächsten Monat auch einen Vortrag zum Thema „Love and Hatred in Troubled Times“ (Liebe und Hass in unruhigen Zeiten) halten.

Liebe und Versöhnung nach, in und trotz unruhiger Zeiten, daran war und ist Wiener in der Tat gelegen. Seine diesbezüglichen Verdienste wollte auch die Stadt Wittenberg würdigen, als sie ihn 2010 zu ihrem Ehrenbürger ernannte. Und es war ja Wiener, der in den 1990er in die Stadt, in der er einst bedroht und verfolgt wurde, zurückkehrte und die Hand ausstreckte. Welche Größe!

Bis heute pflegt er Kontakte - inwieweit aber umgekehrt am 7. August aus gegebenem Anlass Wittenberger den Kontakt zu ihm aufnehmen, bleibt freilich abzuwarten.

Wieners Geburtstagsprogramm indes steht fest: Mittagessen mit Freunden, Abendessen mit der Männergruppe, zudem habe er „ein paar Einladungen“ von Personen, „die mich zum Geburtstag ehren sollen“. Bereits in der vergangenen Woche war er mit seinen Kindern und Enkeln in die Sommerfrische an den Strand gefahren, wo man im Vorgriff aufs Fest ein „schönes (Vor)Geburtstagsessen“ genossen habe.

Und schließlich will Wiener am 23. September selbst ein Bankett „für ein paar Duzend meiner Freunde“ ausrichten. Im Oktober gibt er einen Workshop, denn auch das kennzeichnet Wiener: Wo andere rasten und rosten, bleibt er in Bewegung - auch geistig. Was aber wünscht er sich nun zum 90.?

Eigentlich nichts, das er nicht schon besitzt, so Wiener dieser Tage: „Ich bin von liebenden Freunden umgeben, bin in der Lage, andere zu unterstützen, und habe unerwartet den Weg zu meiner Heimatstadt wieder gefunden. Ich akzeptiere meine Sterblichkeit, und genieße desto besser mein Lebensalter.“

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch. Happy Birthday, Richard Wiener!

(mz)