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Reformation und Islamkritik Reformation und Islamkritik: Luther wird missbraucht

Von Michael Hübner 19.05.2017, 19:21
Der Reformator Luther soll den Koran als „ein verflucht, schändlich, verzweifelt Buch; es sei voller Lügen, Fabeln und Gräuel“ bezeichnet haben.
Der Reformator Luther soll den Koran als „ein verflucht, schändlich, verzweifelt Buch; es sei voller Lügen, Fabeln und Gräuel“ bezeichnet haben. dpa-Zentralbild

Wittenberg - Vertreter der rechten Szene werden zum Kirchentag in Wittenberg aktiv und dabei laut Experten Luther für ihre Zwecke missbrauchen. Vier Versammlungen sind angemeldet, bestätigt der Landkreis. Dafür sei keine Genehmigung notwendig, so auf MZ-Anfrage Götz Lehmann vom Ordnungsamt.

Nach seinen Angaben „genügt eine Anmeldung“. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind in Deutschland eben ein hohes Gut. Doch das ist kein Freibrief für Rechte. „Wir haben das auf dem Schirm“, sagt Wittenbergs Polizeichef Marcus Benedix.

Unter dem Motto „500 Jahre Reformation - zurück zur biblischen Ordnung“ wollen Rechte die Besucher des Kirchentages mit Predigten, Gesang und Orgelmusik an ihren Büchertisch locken. Hier soll es Schriften in Deutsch, Englisch, Ungarisch, Tschechisch, Russisch und Italienisch geben. Zwölf Personen sind für die Aktion angekündigt. „Es werden weniger,“ sagt der Organisator auf MZ-Anfrage.

Das klingt anscheinend harmlos, gewinnt aber durch den Anmelder an Brisanz: Christian Bärthel. Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft laut Wikipedia - die Behörde selbst lässt Anfragen der MZ unbeantwortet - den Mann als rechtsextrem ein. Der 42-Jährige gilt als Reichsdeutscher und Vertreter eines christlichen Fundamentalismus.

„Ich bin ein bibeltreuer Christ“, so der Mann am Telefon, der glaubt die kritischen Fragen kommen von einem Vertreter des Landratsamts. Als sich das Missverständnis aufklärt, ist er bereit, Antworten zu geben. Er räumt dabei eine Verurteilung wegen Volksverhetzung ein. „Für Bibelzitate habe ich drei Jahre auf Bewährung erhalten,“ so der Thüringer.

Jetzt geht es schon wieder um ein Zitat. Der Reformator soll den Koran als „ein verflucht, schändlich, verzweifelt Buch; es sei voller Lügen, Fabeln und Gräuel“ bezeichnet haben. „Ich habe das in einer Schrift gefunden und gegoogelt. Es stimmt“, so Bärthel. Sein Fazit: „Selbst in dieser Angelegenheit ist Luther heutzutage nach wie vor aktuell.“

Die Worte des Reformators stammen aus dem Brief an den Rat der Stadt Basel vom 27. Oktober 1542, erklärt Mirko Gutjahr. Der Wittenberger Luther-Experte verweist auf die Universität Gießen. Dort beschäftige man sich ausführlich mit dem Thema „Luther und der Islam“.

Für die Professorin Athina Lexutt ist Luther tatsächlich „von erschreckender Aktualität“. Luther hat nach Erkenntnissen der Professorin vom Institut für Evangelische Theologie aber auch Toleranz angemahnt. Luther habe sich sehr bemüht, den Islam in seinen Stärken und Schwächen wahrzunehmen und er hat vor einseitiger Wahrnehmung gewarnt.

„Abgrenzungen! Nicht: Ausgrenzungen“, so die Professorin, deren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Reformationsgeschichte vor allem bei Luther liegt. Sie sagt: „Abgrenzungen sind notwendig, weil sie den Anderen in seiner Andersheit ernst nehmen.“

Bärthel dagegen ist überzeugt, dass Luther heute Predigtverbot erhalten, aus der Kirche ausgeschlossen und auf der Anklagebank wegen Volksverhetzung sitzen würde. (mz)