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Wirtschaft in Wittenberg Quarzsand in Nudersdorf: Ein Unternehmen wird 100 Jahre alt

Die Quarzsand Nudersdorf GmbH feiert ein seltenes Jubiläum. Was das Produkt besonders macht, wofür es benötigt wird und welche harten Zeiten es zu überstehen galt.

Von Marcel Duclaud Aktualisiert: 27.10.2024, 10:23
Vier Kilometer ist das Förderband lang, auf dem der Sand transportiert wird.
Vier Kilometer ist das Förderband lang, auf dem der Sand transportiert wird. (Foto: Thomas Klitzsch)

Nudersdorf/MZ. - Die Vorräte, sagt Jürgen Witter, reichen noch für weitere Generationen. Auf jeden Fall für die nächsten hundert Jahre. Von Sand ist die Rede, genauer von Quarzsand, der bei Nudersdorf bereits seit hundert Jahren gefördert, gewaschen, getrocknet und gesiebt wird.

Die Quarzsand GmbH Nudersdorf kann in diesem Jahr ein Jubiläum feiern, das es in der Wirtschaft so oft nicht gibt. Sie ist im Jahr 1924 ins Handelsregister eingetragen worden, gegründet wurde das Unternehmen einige Monate früher in Reinsdorf. Der beliebte Badeteich unweit des Schulstandortes zeugt noch davon: „Das Strandbad war die erste Grube“, bemerkt Marko Witter, der inzwischen die Geschäfte führt.

Die Familie Witter ist eng verbunden mit der Quarzsand GmbH. Jürgen Witter, ein Elektroingenieur, stieg 1989 als technischer Leiter in den Betrieb ein: damals hieß der noch VEB Vereinigte Gießereisandwerke Nudersdorf und beschäftigte die stattliche Zahl von rund 160 Menschen.

Die Chefs des Nuderdorfer Unternehmens: Jürgen, Marko und Thomas Witter (von links) auf dem Betriebsgelände der  Quarzsand GmbH.
Die Chefs des Nuderdorfer Unternehmens: Jürgen, Marko und Thomas Witter (von links) auf dem Betriebsgelände der Quarzsand GmbH.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Dass die Firma die schwierigen Nachwende-Zeiten überlebt hat, ist wesentlich ihm zu verdanken. Witter kann lange Geschichten erzählen von der Treuhand und von anderen zum Teil namhaften Unternehmen wie den Rheinischen Kalksteinwerken Wülfrath, einer Thyssen-Tochter, oder von der Lafarge AG, einem französischen, weltweit tätigen Unternehmen für Baustoffe.

Zu beiden gehörten die Nudersdorfer zeitweise. Bis Anfang 2002. Damals stand die Firma aus dem Kreis Wittenberg einmal mehr auf der Kippe, wie schon in Treuhandzeiten, als es 1992 hieß: liquidieren oder privatisieren. Der gebürtige Wolfener Jürgen Witter jedenfalls hat sich kurz nach der Jahrtausendwende entschlossen, den Quarzsand-Betrieb zu kaufen, samt der Schulden. „Ich habe mich mit meiner Frau und einem Wirtschaftsprüfer längere Zeit in eine Ecke gesetzt, um die Entscheidung zu treffen.“ Bedauert, sagt Witter heute, hat er sie nie.

Der Sand roh (re.) und getrocknet
Der Sand roh (re.) und getrocknet
(Foto: Thomas Klitzsch)

Das Geschäft laufe stabil: „Es ist ein gesundes Unternehmen.“ Pro Jahr werden in Nudersdorf rund 60.000 Tonnen Quarzsand produziert – mit aktuell sieben Mitarbeitern. In der Körnung, die der Kunde haben möchte. Inzwischen ist der Kundenstamm auch deutlich differenzierter, als es früher der Fall war, als noch rund 60 Prozent der Produktion an einen einzigen Abnehmer in Coswig geliefert wurde. Als der geschlossen wurde, war plötzlich mehr als die Hälfte des Absatzes weg: „Wir sind durch harte Zeiten gegangen. Aber 2008 ging es dann wieder bergauf.“ Derzeit gehören 20 bis 25 Abnehmer zum festen Kundenstamm. Darunter der PCI-Standort in Piesteritz. Der Quarzsand aus Nudersdorf wird etwa für Fliesenkleber gebraucht. Das benachbarte Holzkraftwerk benötigt den Sand ebenso wie Müllverbrennungsanlagen, beim Sportplatzbau wird er eingesetzt, zudem als Dämmstoff (zur Herstellung von Glaswolle) oder bei der Dachpappenherstellung. Und ebenfalls, inzwischen aber deutlich weniger als in den Anfangszeiten der Firma, auch in Gießereien.

„Unser Sand wird gebraucht“, betont Marko Witter. Reinheit und Trockenheit sind entscheidende Faktoren. Zudem hält sich die Konkurrenz in Grenzen: „In den neuen Bundesländern gibt es noch acht Trockensand-Hersteller.“

Hier wird der Quarzsand aufbereitet.
Hier wird der Quarzsand aufbereitet.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Marko Witter, der Informatik studiert und längere Zeit in Baden-Württemberg als Teamleiter bei Philips Medizintechnik gearbeitet hat, kehrte 2018 in die Heimat zurück: „Papa hat gefragt.“ Jürgen Witter will sich allmählich zurückziehen. Er hat einen Großteil seiner Anteile an die beiden Söhne übertragen, 20 Prozent an der Firma hält er jetzt noch.

Während Marko Witter die Geschäfte führt, fungiert sein Bruder Thomas Witter als Produktionsleiter: „Der eine ist Praktiker, der andere eher Theoretiker. Das passt“, freut sich der Vater, der schon einmal verrät, dass auch die dritte Generation demnächst einsteigt bei Quarzsand Nudersdorf: „Zurzeit ist der Enkel noch in der Ausbildung, fängt aber 2025 bei uns an.“

Jürgen Witter jedenfalls ist guter Dinge, dass es das Unternehmen noch viele Jahre geben wird. Sicher, die Bürokratie sei heftig. Er nennt als Beispiel die unzähligen Beauftragten für diverse Themen, die benannt werden müssen, schwierig in einem Sieben-Mann-Betrieb. Oder er verweist auf die zahlreichen Positionen auf der Stromrechnung: „2002 waren es vier, jetzt sind es 23.“ Die Nudersdorfer Quarzsand GmbH ist ein energieintensiver Betrieb.

Trotzdem. Die Sandvorräte im vier Kilometer entfernten Tagebau, die mittels Förderband zur Wäsche und später zum Trockner transportiert werden, reichen noch sehr, sehr lange. „227 Hektar umfassen die Bergwerksfelder. Da gibt es noch viel rauszuholen.“