Premiere bei Berlinale Premiere bei Berlinale: Große Bühne für Wittenberger Film

Wittenberg/Berlin - Auf die Freikarten warten sie noch im Hamberger Großmarkt im Nußbaumweg. „Die sind uns versprochen worden“, erklärt Iris Luckner, die Chefin des 19 Mitarbeiter starken Teams dort. Einige ihrer Leute sind auf der großen Leinwand zu sehen - erstmals am Freitagabend in Berlin, wenn der Film „In den Gängen“ seine Premiere erlebt.
Es muss schon ein besonderer Film geworden sein, denn Dieter Kosslick, der Direktor der Berlinale, hat ihn ausgewählt für eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt. Und Teile des Streifens, in dem die insbesondere durch ihr bravouröses Agieren in dem Familiendrama „Toni Erdmann“ bekannt gewordene Sandra Hüller eine Hauptrolle spielt, wurden eben in Wittenberg gedreht, besser: in den langen Gängen des Hamberger Großmarktes.
Denn die Stadt Wittenberg ist unerheblich für den Film, der auf einer Kurzgeschichte des namhaften Leipziger Autors Clemens Meyer („Als wir träumten“) basiert.
Keine Schloss- oder Stadtkirche, kein Luther-Denkmal. Das Drehbuch will die Kulisse des Großmarktes, wo der steht, ist ziemlich egal. Und so hat das Filmteam vor knapp einem Jahr nicht nur bei Hamberger in Wittenberg die Nacht zum Tag gemacht, sondern auch in Bitterfeld.
Iris Luckner erinnert sich noch gut: Ein solcher Filmdreh mit großem Equipment ist schließlich nichts Alltägliches. Eine ganze Woche war das Team Anfang März da, und eben immer nachts, weil tagsüber ja normal geöffnet werden musste.
Die Dreharbeiten liefen nicht bis vielleicht ein oder zwei Uhr, meist war erst Schluss als der Morgen graute: „Die erste Nacht ist hart“, hatte damals Thomas Stuber gesagt, der Regie führte und das Drehbuch mitgeschrieben hat. Iris Luckner bemerkt im Rückblick: „Es war eine schöne Erfahrung, aber auch sehr anstrengend. Unsere Leute sind am Tag schon verplant und waren nachts ebenfalls noch da.“
Das Filmteam brauchte Unterstützung etwa beim Gabelstaplerfahren, die Regale mussten umgeräumt werden, weil im Drehbuch von Weihnachtsartikeln und nicht von Schokoosterhasen die Rede ist - und Statisten waren auch noch gefragt.
„Lange halten Sie so was nicht durch“, betont die Marktleiterin, die durchaus froh war, als der Dreh endete. Jetzt aber freut sie sich, dass ihr Wittenberger Markt eine so große Bühne bekommt: „Ich gehe selten ins Kino, keine Zeit. Aber in diesem Fall mache ich natürlich eine Ausnahme.“ „In den Gängen“ läuft ab 26. April in den Kinos.
Heute aber zunächst im Abendprogramm im Berlinale-Palast. Die vielbeschäftigte Schauspielerin Sandra Hüller ist dabei, offenbar ziemlich entspannt. „Aufgeregt“, sagt sie jedenfalls zur MZ, „bin ich nicht, denn meine Arbeit ist ja getan.“
An die Dreharbeiten in Wittenberg erinnert sich die gebürtige Suhlerin gut, an die Stadt weniger: „Von Wittenberg selbst habe ich nicht viel gesehen, da wir ja immer nachts im Markt gedreht haben.“ Sie selber widmet sich inzwischen anderen Projekten: Der Erfolg von „Toni Erdmann“, sagt Sandra Hüller, „macht vieles möglich, was vielleicht vorher so nicht gegangen wäre.“
Sie dreht mit Alice Winocour und Justine Triet in Frankreich, spielt mit Jens Harzer und Johan Simons in Salzburg Penthesilea und „wenn alles klappt, mache ich im Herbst ein bisschen Fernsehen“.
„In den Gängen“ ist ein eher stiller, zurückhaltender Film, erzählt wird eine so tragische wie komische Liebesgeschichte - eben im Großmarkt. Dort landet der schweigsame Christian (Franz Rogowski), der seinen Job auf dem Bau verloren hat. Er begegnet Marion aus der Süßwarenabteilung (Sandra Hüller).
Es entspinnt sich eine zarte Liebe im geschützten Kosmos des Großmarktes. Die beiden geben sich Halt in einem Leben, das draußen schwer auszuhalten sei.
(mz)