Panorama Luther 1517 Panorama Luther 1517: So gefällt den ersten Besuchern das Wittenberger Asisi-Rundbild

Wittenberg - In Luthers Wittenberg hat der Tag schon ein paar Mal begonnen. Wie ein Hamster im Rad hängt der Mönch in einer Zeitschleife fest. Der Morgen graut, ein Hahn kräht, der Kuckuck ruft, die Stadt erwacht, Markttreiben. Ein ewig gleicher Tag für den Reformator: Er hält den Menschen sein Thesenpapier hin, steht mit fuchtelnden Armen vor der Schlosskirche und fällt Thomas Müntzer in die Arme.
Oder ist er das doch nicht? Die Eheleute Oestreich zählt noch mal nach. Vier Mal Martin Luther haben sie bisher entdeckt. Es dauert eben seine Zeit, bis man den Mann in der Kutte in diesem Wimmelbild aus dem Jahr 1517 findet. Die Oestreichs gehören zu den ersten Besuchern des Panoramas „Luther 1517“ in Wittenberg. Am Freitagabend wurde es mit geladenen Gästen eröffnet, am Sonnabend gingen die Türen für Wittenberger und Touristen auf. Oestreichs sind mit dabei und haben ihren alten Freund Malte Laack mitgenommen. Nachdem das Panorama eine gute Stunde geöffnet ist, stehen die Wittenberger mit ihrem Gast, der hier geboren wurde und aufwuchs, in der Rotunde. Die beiden 80-Jährigen diskutieren eifrig was sie sehen.
Laack ist Historiker und wohnt in Kiel. Für den touristischen Neuzugang in seiner Heimatstadt hat er nur ein Wort: „Großartig“. „Ich vergleiche ständig das alte Stadtbild mit dem heutigen“, sagt er und schaut auf der Leinwand die Straße zur Stadtkirche hinauf. „Jetzt muss ich schnell auf die Plattform“, meint er. Schließlich sei alles auf diese Perspektive berechnet. „Aber es funktioniert auch von hier unten.“ Besser, als beispielsweise beim Pergamon-Panorama, was er sich einmal anschaute. Gemeinsam mit Eva und Günter Oestreich geht es die Stufen hinauf.
130 Menschen haben von diesem Punkt aus den besten Blick auf 360 Grad Wittenberg vor 500 Jahren. Am Sonnabend findet man da oben bequem einen Platz. Der Besuch läuft gut, aber man tritt sich nicht auf die Füße. Wie auch? Um die 400 Leute passen in den Rundbau hinein. Zwar gab es, so erzählt es die Mitarbeitern am Einlass, vor der Öffnung um zehn Uhr eine kleine Schlange, dann aber herrschte ein ständiges Kommen und Gehen ohne Wartezeiten. Da wollten sich die Wittenberger wohl nicht gleich ins Eröffnungsgetümmel stürzen. Müssen sie ja auch nicht, fünf Jahre soll das neue Werk des Künstlers Yadegar Asisi schließlich mindestens in der Stadt bleiben.
Sabine Richter wollte dann aber doch nicht warten. „Als wir im Vorbeifahren keine Schlange sahen, sind wir doch gegangen“, sagt die Wittenbergerin und fühlt sich überwältigt von ihrer eigenen Stadt. „Da gibt es ja so viel zu entdecken“, meint sie. Ein Besuch werde wohl nicht ausreichen. Prinzipiell ist es ihr jedoch lieber, aus der heutigen Position auf dieses Panorama zu schauen. „Das wäre keine Zeit für mich gewesen, viel zu dreckig. Dann kommt es ja immer drauf an, was man von Beruf wäre“, meint sie. Luthers Wittenberg ist also keine Option für sie. Aber eine Lieblingsfigur hat sie doch schon gefunden. „Da, das Mädchen auf der Brücke. Die gefällt mir und ist mir gleich aufgefallen.“
Horst Kolinovka ist vor allem aufgefallen, dass die Musik, die die 15-minütigen Tagesschleifen begleitet, nichts für seine empfindlichen Ohren ist. „Am Anfang war sie sehr laut“, meint der Mann aus Rostock, der mit Bruder und Schwägerin auf der Durchreise einen Zwischenstopp eingelegt hat. Als die akustische Untermalung gedämpfter wird, hat er auch eine Erklärung für das Getöse. Er vergleicht das Panorama durchaus mit einer Kathedrale und den Eindruck, den solch ein Bau damals auf die Menschen machte. Mit Licht, schierer Größe und großem Hall „hat man das einfache Volk doch erst einmal klein gehalten, um es dann umso mehr zu überwältigen“, sagt der Wittenberg-Tourist. Im Asisi-Panorama hat das bei ihm nun auch geklappt. „Die Szenerie hat mich ganz schön angefasst“, gibt er zu, nicht nur an den Ohren.
Geradezu hinein gezogen in das Geschehen fühlt sich ein paar Schritte weiter Birgitt Schriefer. Am Freitag sah sie im Fernsehen den Bericht über die Panorama-Eröffnung. Damit stand der Tagesausflug für die Berlinerin und ihren Mann fest. „Das ist eine fantastische Zeitreise. Mir läuft es kalt den Rücken runter“, fasst sie ihren ersten Besuch eines Panoramas zusammen und lobt vor allem wie authentisch das 15 Meter hohe Rundbild ist und wie gut die Räumlichkeit funktioniert. „Diesen Eindruck müssen wir gleich bei einem Mittagessen verdauen“, sagt sie. Dann könnte es vielleicht noch einen Blick auf die reale Stadtkirche und in die echte Schlosskirche geben, im Jahr 2016.
Der Tag vor 500 Jahren hat sich indes nochmals geneigt. Es wird dämmrig. Im Hause Luther werden die Kerzen hinter den Fensterscheiben angezündet. Wie im lebendigen Adventskalender leuchtet eine friedliche Szenerie nach einem erlebnisreichen Tag auf. Da ist noch ein Martin Luther, am Tisch mit seinen Kindern. Im Nebenraum debattieren Studenten. Jemand bläst die Kerze aus. Wittenberg schläft, bis es gleich darauf wieder erwacht und für jeden Zuschauer eine neue Überraschung und Entdeckung bereit hält.
Informationen, Preise und Öffnungszeiten im Internet unter www.wittenberg360.de.
(mz)



