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Neues in der Klinik Bosse Neues in der Klinik Bosse: Raum zum Sterben

Von Marcel Duclaud 17.09.2019, 10:15
An einem der neuen Betten im neuen Palliativzimmer stehen: Geschäftsführerin Petra Stein, Schwester Katja Baierl, Seelsorger Rüdiger Kuhn, Oberärztin Tanja Thormann (v.l.). Das Sofa lässt sich ausziehen und steht Angehörigen zur Verfügung.
An einem der neuen Betten im neuen Palliativzimmer stehen: Geschäftsführerin Petra Stein, Schwester Katja Baierl, Seelsorger Rüdiger Kuhn, Oberärztin Tanja Thormann (v.l.). Das Sofa lässt sich ausziehen und steht Angehörigen zur Verfügung. Baumbach

Wittenberg - Katja Baierl zeigt ihr Schatzkästlein - kleine Fläschchen befinden sich darin: Aromaöle. Sie beeinflussen das Wohlbefinden, ist sich die Krankenschwester sicher. Manche helfen gegen Übelkeit, manche sogar „beim Loslassen“, glaubt sie. Gemeint ist das Loslassen vom Leben im Sterbeprozess.
Das Zimmer, in dem Katja Baierl ihr Kästlein aufbewahrt, ist der neue Palliativraum der Klinik Bosse - gedacht für Patienten mit unheilbaren neurologischen Erkrankungen.

Dass sich die Medizin nicht nur mit dem Heilen beschäftigt, sondern auch mit dem Sterben, ist ein Trend, siehe etwa die Hospize, von denen es bekanntlich eines inzwischen auch am Paul Gerhardt Stift gibt.

Tanja Thormann, Fachärztin für Neurologie, die eine Weiterbildung zur Palliativ-Medizinerin absolviert hat, spricht von einer Weiterentwicklung. „Wir sind angehalten, uns mit dem Thema Sterben stärker zu befassen.“ Der Palliativbereich sei bislang eher bei den Onkologen, bei denen also, die sich um Krebserkrankungen kümmern, beheimatet gewesen: „Die Internisten haben sich dem zuerst angenommen“, erklärt Thormann.

Dass die Neurologie an der Klinik Bosse nun ebenfalls ein freundlich gestaltetes Zimmer zum Sterben mit zwei Betten und der Möglichkeit, Angehörige dort übernachten zu lassen, anbietet, hat damit zu tun, dass neurologische Patienten sehr spezifische Symptome aufweisen. Die Oberärztin nennt als Krankheiten etwa Parkinson, Schlaganfall, Epilepsie oder ALS (amyotrophe Lateralsklerose).

Neben Schmerzen, Angst und Atemnot plagen Betroffene zusätzlich Symptome wie Spastik, Schluckstörungen, Lähmungen oder Gedächtnisstörungen. Onkologische Patienten, sagt Tanja Thormann, haben oft mehr Zeit, sich mit ihrer Situation zu beschäftigen, die fehle jenen, die etwa einen schweren Schlaganfall erleiden. Da sei nicht selten auch die Verständigung nicht mehr möglich.
Umso wichtiger ein Angebot wie das Palliativzimmer, wo es nicht um das Heilen geht, sondern um das Lindern, um die Erhaltung von Lebensqualität und Selbstbestimmung, so weit das eben möglich ist. Um so schwieriger die Aufgabe für das breit aufgestellte Team, zu dem neben Ärzten und Palliativ-Pflegekräften auch Ergo- und Physiotherapeuten, Seelsorger, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten gehören.

Katja Baierl, die eine einjährige berufsbegleitende Zusatzausbildung hinter sich hat, berichtet über ihre Arbeit. Palliativ komme ja vom lateinischen Palliare, was so viel wie „umhüllen, ummanteln, schützen“ bedeute. Es gehe darum, die Angehörigen gezielt einzubeziehen, Rituale zu schaffen für Patienten und Angehörige. Wenn Betroffene sich nicht mehr verständigen können und Probleme etwa beim Schlucken haben, spiele beispielsweise Musik eine wichtige Rolle oder das Lieblingsgetränk zur Mundpflege.

Oder eben die erwähnten Aromaöle. Der Prozess sei nicht zuletzt für die oft überforderten Angehörigen eine Art Therapie, die, so ihre Erfahrung aus den bislang zwölf Fällen, sehr dankbar reagieren, dass das Palliativangebot existiert. Es korrespondiert im Übrigen mit dem Aufbau einer offenen Trauergruppe an der Klinik Bosse, die Angehörigen das Verarbeiten erleichtern soll.

Bleibt die Frage, wie eigentlich das medizinische Personal mit der schwierigen Aufgabe, das Sterben zu begleiten, fertig wird. Da helfe, sagt Tanja Thormann, das Team, die Familie, eine Prise Humor, manchmal Seelsorge, die auch den Mitarbeitern offen stehe. Und nicht zuletzt Freizeitaktivitäten: „Ich zum Beispiel male. Das gibt mir Kraft für meine Arbeit als Ärztin.“