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Nach Anschlag in Berlin Nach Anschlag in Berlin: Kerzen, keine Musik und Maschinenpistolen in Wittenberg

Von Marcel Duclaud 20.12.2016, 10:28
Trauer auf dem Weihnachtsmarkt Wittenberg: Zum Gedenken an die Opfer des Berliner Anschlags haben die Händler Kerzen aufgestellt.
Trauer auf dem Weihnachtsmarkt Wittenberg: Zum Gedenken an die Opfer des Berliner Anschlags haben die Händler Kerzen aufgestellt. Klitzsch

Wittenberg - Es ist still auf Wittenbergs Weihnachtsmarkt, keine Musik tönt, an den Ständen flackern Kerzen, im Zentrum der leeren Bühne ist ein kleiner Tisch aufgebaut mit einer schwarzen Schleife. Vereinzelt bummeln Besucher über das Pflaster. Das Entsetzen über den Anschlag im nahen Berlin ist mit Händen zu greifen, die Kerzen sind eine kleine Geste des Gedenkens und des Mitgefühls.

„Schlimm, ganz böse, das macht uns traurig“, sagt Karin Ryplewitz-Bibik hinter der Theke ihrer Katzenstube. „Wir hätten dort auch stehen können. Mir tun besonders die Familien der Opfer leid.“ Dass aus den Lautsprechern keine Musik dringt, dass die Marktleitung um Kerzen gebeten hat, findet sie angemessen. Dass deutlich weniger Menschen zum Weihnachtsmarkt kommen, wundert die Wittenbergerin nicht. Obgleich sie findet: „Das ist das, was die wollen. Wir sollten zeigen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen.“

Angst, sagt Martin Rother, der bei Karin Ryplewitz-Bibik gerade einen Glühwein trinkt, habe er nicht: „Das kann doch überall passieren, nicht nur auf einem Weihnachtsmarkt.“ Dass man nun aber ein bisschen genauer hinschaut, wer wo was tut, das werde wohl eine Folge des Anschlags sein.

Kollegen von Lolita Köhler waren ganz dicht dran an dem furchtbaren Geschehen Montagabend auf dem Weihnachtsmarkt im Zentrum von Berlin: „Denen ist nichts passiert. Die Nachbarhütte, die hat es aber getroffen“, berichtet die Seydaerin. Dass sie heute mit gemischten Gefühlen zu ihrem Stand, der „Heißen Pfanne“ gefahren ist, räumt sie ein und spricht von einer bedrückten Stimmung, die über dem Markt liege.

Ein Bühnenprogramm findet nicht statt, die Kinder der Evangelischen Grundschule, die am Dienstag an der Reihe gewesen wären, die sich intensiv vorbereitet haben auf ihren Auftritt, erhalten nach Auskunft von Gewerbevereinschef Franz Neise als Trostpflaster Fahrten mit dem Riesenrad.

Das indes bleibt erst einmal stehen, wie andere Fahrgeschäfte auch. Am Nachmittag, Punkt 16 Uhr, wird eine Schweigeminute abgehalten. Stadt und Gewerbeverein haben dazu aufgerufen, um den Opfern und Betroffenen der Gewalttat von Berlin zu gedenken.

Auch Pfarrer Johannes Block ist dabei. Er spricht, bevor die Ratsglocke erklingt, davon, dass es gut ist, den Alltag zu unterbrechen und sich zu solidarisieren. Es gehe darum innezuhalten, nachzudenken, nicht aber, sich zu beugen. Bei aller Trauer sollte das Leben nicht vergessen werden.

Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) nennt die Schweigeminute eine „Botschaft des Mitgefühls“, die Wittenberg nach Berlin sende. Die Städte seien verbunden, etwa durch den gemeinsamen Kirchentag im nächsten Jahr.

Zugehör kündigt einen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin an. Dass die Ratsglocke an diesem schweren Tage läutet, sei im Übrigen ein Zeichen des Friedens. Sie ist bekanntlich in beiden Weltkriegen eingeschmolzen worden und nun doch wieder am Rathaus präsent.

Dass nach dem Anschlag in Berlin die Sicherheitsvorkehrungen auch in Wittenberg erhöht werden, kündigt der Oberbürgermeister nach einem Gespräch mit dem Polizeipräsidenten an. Per Erlass hatte die Landesregierung diese Maßnahme beschlossen, sie gilt ab sofort. Der Oberbürgermeister warnt zugleich davor, in Panik zu verfallen. Damit sei niemandem geholfen.

Das sieht Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) ähnlich. Gegenüber der MZ erklärt er: „Dieses Ereignis lässt sich nicht fassen und macht mich betroffen. Gerade mit Blick auf die im kommenden Jahr für uns im Landkreis Wittenberg anstehenden Herausforderungen dürfen wir weder überreagieren noch resignieren. Wir müssen uns besonnen darauf vorbereiten.“ (mz)