Mosaiksteinchen zur Stadtgeschichte Mosaiksteinchen zur Stadtgeschichte: Als das Bordell noch die Stadtkasse füllte

Wittenberg - „Wir Männer wollen frei und ungebunden sein, dass wir freie Herren bleiben und tun mögen, wie es uns gelüstet, mit Huren, Müßiggehen… Daher auch keiner von den Kirchenvätern etwas Merkliches und sonderlich Gutes vom Ehestand geschrieben hat“ - erklärte Luther. Dabei hat er dem Ehestand in der Gesellschaft Anerkennung und Ehre verschafft.
Im Mittelalter konnte man erst dann heiraten, wenn man einen eigenen Haushalt führen und eine Familie wirtschaftlich versorgen konnte. Ein großer Teil der damaligen Gesellschaft konnte das nicht: Gesinde, Diener, Gesellen, Geistliche, Studenten, Arme. Für die Bedürfnisse unverheirateter Männer schufen Städte, aber auch geistliche Stadtherren, „Freudenhäuser“ und zogen reichen Gewinn. Frauenhäuser wurden gerne hochstehenden Gästen bei ihren Besuchen geöffnet. Fühlten sie sich dort wohl, gereichte es der Stadt oft zum Nutzen.
Dem Rat unterstellt
Das Wittenberger „Frauenhaus“ erschien seit 1430 in den städtischen Rechnungen. Auch hier unterstand es dem Rat der Stadt. Die Ratsherren hatten den Marktmeister mit der Aufsicht über das von einer „Hauswirtin“ betriebene Haus beauftragt. Dafür sollte er einen Teil der Einnahmen erhalten. Wenn es leer stand, wurde er vom Rat für seinen Ausfall entschädigt, so 1504 und 1506. - Der Rat hatte also dafür zu sorgen, dass genügend „freie Frauen“ ihren Dienst am Manne taten.
Der Bedarf an ihren Diensten wuchs mit Gründung der Universität. In seiner Werbeschrift für ihren Besuch hat Andreas Meinhardi das Wittenberger Frauenhaus zweimal erwähnt. Es wird demonstrativ umgangen und vor der Gefährlichkeit der Damen und der Liebe ausdrücklich gewarnt. Ein gut geführtes Frauenhaus gehörte zu jeder Universität, die viele Studenten anziehen wollte.
Seine Gäste sollten allerdings unverheiratet sein oder verfielen hohen Strafen, wenn sie erwischt wurden. 1504 musste Erasmus Kerstian zahlen, weil er als verheirateter Mann das Frauenhaus aufgesucht und dort auch noch „anderen Unfug“ getrieben hat. 1518 zahlten ein Schuster aus Schweinitz, ein Müller aus Bülzig und ein Freier aus Elster hohe Strafgelder. Der Freier „hat sich im Frauenhaus als Ehemann mit den freien Weibern vermischt und Aufruhr erweckt“.
Der Rat achtete streng darauf, dass niemand außer ihm Huren beschäftigte und so seine Einkünfte schmälerte. 1504 wurde die Ehefrau des Lorenz Beckmann mit hoher Buße belegt, weil „sie unzüchtige Weiber aufgehalten und in ihrem Hause Unzucht gestattet“ hat.
Das gesellschaftliche Ansehen der Huren, die so viel Gewinn brachten, war gering. Öffentlicher Umgang mit ihnen wurde schwer bestraft, so 1506 Brose Mevis, der „mit gemeinen Frauen aus dem Hause auf dem Tanzhaus im Rathaus vor vielen frommen Bürgerinnen und Jungfrauen getanzt und vorgesprungen“.
Luther läutet Ende ein
Am Frauenhaus wurde noch 1519 repariert. 1520 läutete Luther sein Ende ein, denn: „Ist es nicht eine jämmerliche Sache, dass wir Christen, die wir alle zur Keuschheit getauft sind, unter uns öffentliche, allgemeine Hurenhäuser haben? Ich weiß wohl, was etliche dazu sagen, nämlich, dass es nicht bloß eines Volkes Gewohnheit ist, dass sie auch schwer abzuschaffen sind, dass ferner so ein Haus besser sei, als wenn eheliche Personen und Jungfrauen oder höher stehende Frauen geschändet werden. Sollten aber hier nicht das weltliche und das christliche Regiment bedenken, wie man diesem Unwesen … begegnen kann?“
Die Schließung des Frauenhauses bedeutete aber weder das Ende seiner Auseinandersetzung mit dieser Form der Erotik noch das Ende der „freien Liebe“ in Wittenberg. (mz)