Mit sonnigem Humor gegen Wahl-Schatten
WITTENBERG/MZ. - "Da tritt am Wahlmorgen ein SPD-Einsatzkommando meine Wohnungstür ein und steht vor meinem Bett", schüttelte es ihn angesichts solcher Drohungen.
Bereits zum fünften Mal hatten die "Reißzwecken" und ihre Gäste zum Sommerkabarett-Festival in den Cranach-Hof Markt 4 eingeladen, das Motto diesmal: "Aber bitte mit Fahne". Immer wieder warfen die Gäste der ausverkauften Premiere einen Blick auf die ab und an hinwegziehenden Wolken. "Wir haben auf das Radar geschaut, wir könnten verschont bleiben", meinte Mario Welker. Und tatsächlich, es blieb trocken bis auf die Getränke in den Gläsern und ab und zu einige Tränen vom Lachen.
Respektlos vergriffen sich die Kabarettisten an allem, was den Bürger bewegt. Denn "die Politiker machen uns schon die Arbeit streitig", sagte Stefan Schneegaß. Ein guter Schauspieler kann sich schließlich nicht von Laien mit Rhetorikkurs abhängen lassen. Also schaut man auf die Leute am Stammtisch: Harry und Horst (Stefan Schneegaß und Ralph Richter). Ersterer bekam für seine Kostümierung mit besonders auffallendem Gebiss sogar "Szähnenapplaus", um es mit einem Kalauer zu sagen. Die beiden machten erst den Mann am Klavier (Stefan Weißleder) wegen der englischen Texte an: "Wir sind hier in Sachsen-Anhalt, da tun wir anhaltinisch sprechen", warf ihm Schneegaß vor und nach. Nur um dann munter mit Anglizismen um sich zu werfen und sich über die "verblödete Jugend" zu mokieren, die sich ungehemmt fortpflanze. "Was hätten wir uns fortpflanzen können, wenn wir nich so gebildet wärn."
Ob Urlaubsumfrage, Kochen ohne Promis oder die schon übliche Runde "Talk täglich", diesmal zum Klima, die Lösungen (aus der Feder von Ralph Richter) waren verblüffend. Klimawandel? Da lässt man das eigene Auto stehen und nimmt den Mietwagen. Sex an ungewöhnlichen Orten? Da werden im Bett die Seiten gewechselt. Und der Anlagenberater investiert statt in Aktien nun in Alkohol, weil er da mehr Prozente kriegt.
Auf jeden Fall eine Bereicherung ist Sabine Genz vom Berliner Kabarett "Kartoon", die unter anderem gemeinsam mit Barbara Schüler eine Putzfrau gab und dabei die Frage des morgendlichen Aussehens von Jennifer Lopez diskutierte. Ihre "konkrete Analyse der konkreten Situation", nämlich des Handelns von unser aller Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich im Grunde immer treu geblieben ist, ließ kaum ein Auge trocken.
Die Rollen waren auch sonst perfekt verteilt. Ralph Richter (Landesbühne Sachsen-Anhalt) nimmt man immer den brummenden Querkopf, Mario Welker den eloquenten Moderator ab. Und in Sachen Verwandlungsfähigkeit lassen sich Barbara Schüler und Stefan Schneegaß in solchem Rollen-Wechselspiel kaum übertreffen. Wären da nicht die (durch Kissen etwas erträglich gemachten) harten Gartenstühle im Hof, man könnte den fünf Akteuren locker ein Stündchen länger zuschauen. So aber blieb es bei reichlich zwei Stunden bester Unterhaltung. Wer dann immer noch nicht genug hatte, der konnte schließlich im Anschluss im Clack-Theater das musikalische Nacht-Bonbon genießen.
Weitere Aufführungen des Sommerkabarett-Festivals unter anderem am Sonntag 17 Uhr, am 29. Juli, 2., 6., 7. und 8. August je 20 Uhr, 9. August um 17 Uhr. Bei schönem Wetter im Cranach-Hof Markt 4, bei schlechtem Wetter im Clack-Theater Markt 1. Tickets: 0177 / 2 19 07 13 oder