Feld Mit fast 80 Jahren verkauft Ruth Fadel in Radis fast täglich Erdbeeren
Obwohl ihr das Freude bereitet, denkt sie ans Aufhören.

Radis/MZ - Wenn jemand in seiner Arbeit aufblüht, dann ist es Ruth Fadel: Mit fast 80 Jahren steht die taffe Seniorin beinahe tagtäglich auf dem Erdbeerfeld in Radis, sortiert die süßen Früchte in Schälchen, wiegt sie ab, plaudert mit Kunden. Dass sie oftmals achteinhalb Stunden im Verkaufshäuschen verbringt, stört Fadel keineswegs, denn „mir macht die Arbeit einfach unfassbar viel Spaß“. Man merkt schnell, dass die Verkäuferin, die seit etwa fünf Jahren in Gräfenhainichen lebt, aus ihrem Herzen spricht. Zum mittlerweile elften Mal hilft sie in den Monaten Mai und Juni, die Erdbeeren, die aus Rackith stammen, zu verkaufen. Sie berichtet: „Ich bin von Beginn an dabei und wir sind wie eine kleine Familie.“ Nun aber denkt Ruth Fadel schweren Herzens darüber nach, aufzuhören.
Jedes Jahr im Frühjahr fängt es in Fadel an zu kribbeln - dann nämlich steigt die Vorfreude auf die Zeit, in der sie wieder Erdbeeren verkaufen kann. „Mir gefällt daran besonders, wie lieb man von den Kunden behandelt wird, dass sie den Geschmack der Erdbeeren loben und ich sie glücklich machen kann.“ Mit jedem Jahr aber fällt es der Gräfenhainichenerin schwerer, Tag für Tag die Stellung zu halten. Am Abend sei sie dann regelrecht platt, berichtet sie. Sie füttere nur noch ihre Tiere, gieße die Blumen - und dann fällt sie geschafft in ihr Bett. „Ich brauche dann Ruhe, sonst fehlt mir am nächsten Tag die Energie“, berichtet die alleinlebende Seniorin. Mit zunehmendem Alter bereiten ihr auch ihre Knie immer mehr Probleme. Aus dem Grund wird es wohl „mein letztes Jahr auf dem Feld sein“, so Ruth Fadel wehmütig.
Den Job hat sich die resolute Rentnerin vor elf Jahren gesucht, weil sie eine Beschäftigung brauchte. „Ich bin seit etwa 2003 Rentnerin. Ich will nicht nur den ganzen Tag Fernsehen gucken.“ Früher war sie 39 Jahre als Lehrerin in der Bergwitzer Grundschule aktiv, da hatte sie mit vielen Menschen zu tun, das fehlte ihr dann. Auf dem Feld kann sie nun wieder Kontakte pflegen, viele kommen regelmäßig - auch das angrenzende Feld zum Selbstpflücken wird gut angenommen. Wenn Fadel dann gegen 17.30 Uhr zusammenpackt, sind oft noch ein oder zwei Erdbeerschalen übrig, die „darf ich dann manchmal auch mitnehmen“, sagt die 79-Jährige dankbar. Die Früchte nasche sie dann abends mal oder sie verarbeitet sie zu Marmelade weiter.
Die Radiser Erdbeerverkäuferin geht davon aus, dass sie noch bis Mitte oder Ende Juni ihre Früchte verkaufen wird. Danach ist die Saison vorüber. „Ich habe mir eigentlich schon ein paar Mal gesagt, dass ich aufhöre. Hat bisher aber nie geklappt“, sagt Fadel. Vielleicht überfällt sie im nächsten Jahr ja wieder die Lust.