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Methusalem der deutschen Jagdrekorde steht 40 Jahre

Von DIRK SKRZYPCZAK 23.09.2009, 19:44

JEBER-BERGFRIEDEN/MZ. - Am 21. September 1969 wollte er im Forst bei Serno nach Eicheln suchen. Der treue Cockerspaniel "Zobel" wich nicht von der Seite des Jägers; die Bockflinte lag im Trabant-Kombi. Der Zufall spielte Schicksal. "Der Hund hatte einen Rehbock gestellt und ließ ihn nicht flüchten. So konnte ich meine Waffe holen." Für das sichtlich geschwächte Tier, sagt Krüger, war der finale Schuss eine Erlösung. Offenbar hatte ein Projektil aus einer Kalaschnikow den Unterkiefer des Wildes verletzt. Das Gehörn des neun Jahre alten Bockes fiel dem Weidmann zwar sofort auf, an einen Rekord dachte der mittlerweile 83- Jährige seinerzeit aber nicht.

Vier Jahrzehnte sind vergangen, Tierarzt und Bestmarke gemeinsam gealtert. Nach Recherchen des Autors Wolfgang Schulte, der seine Nachforschungen im gerade erschienenen Sachbuch "Bockjagd" schildert, ist der "Krüger-Bock" nach wie vor die stärkste bewertete Rehwildtrophäe Deutschlands. Auf der Weltjagdausstellung 1971 in Budapest vergab die Jury 182,73 internationale Punkte für das 591 Gramm schwere Gehörn und prämierte den Sechsender mit dem Grand Prix. Damals waren nur vier geschossene Rehböcke weltweit höher eingestuft. Heute steht Werner Krüger auf Platz 70 im Erdenmaßstab. Doch sein deutscher Methusalem-Rekord der Jagd hält. "Darauf bin ich stolz, auch wenn ich es mir nicht erklären kann, dass hierzulande bislang wirklich niemand besser gewesen sein soll", sagt er und zeigt im Arbeitszimmer das gute Stück. Laien dürften zunächst die Stirn runzeln. Imposant ist das mächtige Elchgeweih, Trophäe einer Jagdreise nach Kanada in den 1990er Jahren. Aber dieses Rehböckchen? Der pensionierte Veterinärmediziner lächelt milde und verweist auf die mit Geweihen und Gehörnen übersäten Wände. Die auf Holz befestigten Schädelplatten mit den dürren Verästelungen sollte man mal näher betrachten, rät Krüger. "Denn diese Gehörne sind für das Rehwild normal."

Zur Berühmtheit hat es bisher allerdings nicht gelangt. In der DDR wurde dem Tierarzt seine gesellschaftliche Stellung zum Verhängnis. "Ich war eben kein Bauer oder Arbeiter, sondern gehörte nach der Staatsdiktion zur schaffenden Intelligenz. Mit Leuten wie mir wollte man sich wohl nicht schmücken." So schenkte nur die Jagdszene der Bewertung mit einer Goldmedaille auf einer Schau in Markleeberg Aufmerksamkeit. Und als Krüger 1971 mit seiner Trophäe zur Weltjagdausstellung nach Budapest wollte, winkte die allmächtige SED ab. Auf staatliche Unterstützung brauchte er, zudem parteilos, nicht hoffen. "Wir haben uns selbst um das Flugticket und die Unterbringung gekümmert", erzählt Ehefrau Dorothee. Freunde, die im Urlaub am Balaton die Seele baumeln ließen, nahmen den Jäger später wieder mit nach Hause.

Im Wald, berichtet die Gattin, sei ihr Werner nach wie vor ein Gentleman, der das Brauchtum pflegt. Ohne Schlips gehe er nie zur Jagd. Am Töten nur um des Tötens Willen finde er keine Freude. "Oft genug hat er den gekrümmten Finger am Abzug wieder gerade gemacht", sagt sie. Werner Krüger, Vater von drei Kindern, geißelt unterdessen die Verrohung der Jagdsitten. "Wenn Leute ohne die entsprechende Kleidung aber dafür mit Patronengürtel in den Wald ziehen, dann sehen sie aus wie Partisanen und nicht wie Jäger." 30 Jahre hat er in Prüfungskommissionen Jungjägern auf den Zahn gefühlt.

Selbst lässt es der 83-Jährige jetzt ruhiger angehen. Heute geht der geachtete Tierarzt an der Grenze zu Brandenburg auf die Jagd. Dort hat ihm Meinhard Heinrichs aus Stackelitz, ein guter Freund, ein Revier zur Verfügung gestellt und einen altersgerechten Hochstand mit einer Schräge zum Erklimmen statt einer Leiter gebaut. Dass es sein Rekord auch ins 41. Jahr schafft, wird immer wahrscheinlicher. Am 15. Oktober endet die Jagdsaison für Rehböcke.