Leucorea Wittenberg Leucorea Wittenberg: Wie Studenten zu Luthers Zeiten an Stipendien kamen

Wittenberg - Stipendien sind keine neue Erfindung. Schon zu Zeiten der Wittenberger Leucorea war es üblich, junge Studierende mit finanziellen Mitteln auszustatten. Neben Stipendien auswärtiger Städte und Landesherren sowie Zuwendungen von Privatpersonen, die in der Regel die Zinsen eines dafür angelegten Fonds nutzten, vergaben auch die sächsischen Kurfürsten solche Gelder.
Weinkonsum als Grund für höhere Forderung
In der Regel, so die Historikerin Ulrike Ludwig, bewarben sich die Bittsteller direkt beim Kurfürsten oder den von diesem beauftragten Beamten. Die Begründungen, warum jemand ein Stipendium bekommen wollte, muten heute treffend oder auch kurios an. So bat 1530 Michael von der Strassen aus Borna um ein Stipendium für seinen Sohn Christoph, weil ihm als Anhänger der lutherischen Lehre im albertinischen Sachsen das Lehen entzogen worden sei. Ein anderer Vater wollte seine beiden Stiefsöhne zu Pfarrern ausbilden lassen. Zugleich erbat er noch eine Erhöhung des üblichen Satzes, weil er als gebürtiger Schwabe an Wein gewöhnt sei und sich auch im Alter daran laben wolle.
Das waren die eher heiteren Aspekte eines durchaus ernsten Themas, das Ulrike Ludwig in der Leucorea ausführlich darlegte. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Ernestinisches Wittenberg“, das ihre Erkenntnisse im nächsten Band nachdruckt, hat sie vor allem die landesherrlichen Stipendien unter die Lupe genommen. „Schon vor der Gründung der Leucorea 1502 hat Kurfürst Friedrich ein Stipendium für sechs arme Studenten ausgesetzt“, schilderte sie die Anfänge.
Ausbildung von loyalen Nachfolgern
Im Zuge der Reformation wurden ab 1517 immer mehr geistliche Pfründe im Land frei, dieses Geld wurde nun ebenfalls zur Unterstützung von Studenten verwendet. Der Grund war einfach: Die ernestinischen Kurfürsten bildeten so eine loyale Elite für das eigene Land heran, seien es nun Beamte oder nach 1517 zunehmend auch evangelische Pfarrer. Jedoch habe mit den Jahren offenbar kaum jemand einen Überblick gehabt, wer überhaupt ein Stipendium des Landesherren bezog, hat die Historikerin herausgefunden.
1538 erging deshalb an die Universität die Aufforderung, die landesherrschaftlichen Stipendiaten zu examinieren. Im Jahr darauf antworteten die Professoren, dass etliche Studenten zur Prüfung erschienen waren, wohl aber nicht alle. Sie erbaten ihrerseits vom Kurfürsten eine Liste, wer alles ein Stipendium von ihm erhielt.
1545 wurden beispielsweise 150 Studenten mit Geld aus ehemals geistlichen Stiften gefördert. „Adligen stand es frei, in welcher Fakultät sie studieren wollten, Ärmere wurden eher gelenkt“, so die Historikerin. Letztere studierten zumeist an der Artistenfakultät und hörten dort auch theologische Vorlesungen. Jedoch machten die wenigsten Studenten den Abschluss.
An der Artistenfakultät, der niedrigsten Ebene, erwarben zwischen 1541 und 1545 von 57 Studenten nur 37 Prozent den Magistergrad, hat Ulrike Ludwig nachgerechnet. Von den im Jahr 1545 neu aufgenommenen Studenten waren es noch acht Prozent. Ursache war der verlorene Schmalkaldische Krieg 1547 und der Verlust der Kurwürde an die Albertiner. Für die Studenten in Wittenberg brach mit dem politischen Wandel die finanzielle Grundlage weg. (mz)