Langjähriges Luftschloss Jüdenstraße 8 gewinnt Form
WITTENBERG/MZ. - 15 Jahre lang hatte der zuletzt als Wohn- und Geschäftshaus genutzte Bau von 1824 leer gestanden, waren Nutzungskonzepte entwickelt und wieder verworfen worden. Insgesamt, so hat es die Eigentümerin Wigewe, eine Tochter der Wittenberger Wohnungsgesellschaft Wiwog, zusammengerechnet, scheiterten in dieser Zeit zehn Verkäufe, darunter auch der Plan, dort ein Altersheim zu etablieren. Nun wird hier bis 2010 das "Colleg Wittenberg" entstehen, ein Ort des Wohnens und des Lernens für Studenten aus dem Ausland und deren Professoren (die MZ berichtete mehrfach).
"Im Mai 2010 werden hier die ersten Nutzer einziehen", machte Wittenbergs Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) den ehrgeizigen Zeitplan öffentlich, für dessen Einhaltung das Publikum am Dienstag im grauen Hof, unter bröckelnden Fassaden und angesichts teils einsturzgefährdeter Gebäudeteile noch reichlich Fantasie brauchte. "Wir schaffen das", verbreitete unterdessen auch Wiwog-Geschäftsführer Fritz-Peter Schade jenen Optimismus, der das IBA-Projekt allen Unkenrufen zum Trotz überhaupt erst so weit hat gedeihen lassen. Von einem "großen Tag" für den Campus-Verein, Dachorganisation der Wittenberger IBA-Projekte, sprach dessen Geschäftsführer, Architekt Helmut Keitel.
Betrieben wird das Colleg für 40 Studenten in "Haus A" von einer dreiköpfigen Gesellschaft unter der Leitung von Christian Eggert, der als Reiseveranstalter "Christian Tours" bereits seit einigen Jahren insbesondere amerikanische Akademiker nach Wittenberg gebracht hat; 2007 waren das immerhin fast 700. Eggert will nicht nur seine Firma von Braunschweig in die Jüdenstraße 8 verlegen, sondern wie seine Kolleginnen Katja Köhler und Melanie Pörschmann im angrenzenden "Haus B" (Töpferstraße), wo acht Wohnungen für Jedermann entstehen, auch einziehen. Die Baukosten für beide Gebäudeteile belaufen sich auf 4,5 Millionen Euro, davon stammen 2,5 Millionen aus - unterschiedlichen - Fördertöpfen.
Unter den weit über 100 Wittenbergern, die am Dienstag die Gelegenheit nutzten, einen Teil des Hauses zu besichtigen, waren auch frühere Bewohner wie die 67-jährige Margrit Wangemann ("geborene Kuring!") aus Gommlo und Karl-Joachim Kraatz, der seit seiner Geburt 1932 und bis 1976 in der Jüdenstraße 8 wohnte. Man erinnerte sich an eine arme, aber trotzdem "ganz herrliche" Kindheit, mit fröhlichen Festen und, auch das waren die anderen Zeiten, den Plumpsklos ganz am Ende des Hofes. Fröhliche Feste, davon darf man nun ausgehen, wird es wieder geben.