Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Luthertomaten vom Heuweg
WITTENBERG/MZ. - Für die Stadt Anlass genug, seit Freitag das "Prognosegebiet" mit einer ordentlichen Straße zu erschließen. Nicht nur für den neuen Investor, sondern auch die "Alteingesessenen": Sero Wittenberg, das Betonwerk von Biwi, AVM Lugert und Dachtechnik Müller, wie Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) betont.
Am Freitag allerdings ging es vor allem um die rund 15 Hektar Gewächshäuser, die van Gog in Wittenberg in einem ersten Bauabschnitt errichten lassen will. Zwischen Combibloc und PTE, zwischen Heuweg und Braunsdorfer Straße gehört der Löwenanteil der Flächen inzwischen dem Investor aus Holland. Irgendwann könnten also weitere 25 Hektar Anbaufläche dazukommen.
"Die Voraussetzungen hier sind ideal", sagt van Gog. An mehreren Standorten versucht er in Deutschland Fuß zu fassen, am günstigsten sind die Bedingungen in Wittenberg. Abwärme und Kohlendioxid, das das Pflanzenwachstum verbessert, kommen von SKW Piesteritz. Wasser aus dem eigenen Brunnen 60 Meter unter der Erdoberfläche. Nur bei der Größe der Fläche zuckt van Gog. Mehr hätte es sein dürfen. Dafür spart er sich Erschließungskosten. Eine Million Euro würde es kosten, Warmluft über einen Kilometer zu transportieren. Und so ist das jetzige Areal, das nur der Heuweg vom SKW-Gelände trennt, bestens gelegen.
Ab März nächsten Jahres will van Gog hier die ersten Tomaten ernten. Neun Millionen Kilogramm dürfte die Fläche im Jahr abwerfen. Gedacht ist die Ernte für Mitteldeutschland und Berlin. "Unsere Kunden wollen Tomaten aus
Deutschland", so van Gog. 80 Prozent seiner Abnehmer sitzen in Deutschland, wo ein großer Markt zu erwarten ist. 94 Prozent der verzehrten Tomaten müssen derzeit noch importiert werden. Schon lange habe er deshalb nach Standorten
in Deutschland gesucht. Doch erst der Kontakt zu Helmut Rehhahn, der in der Region vor allem als Berater für die Schweinemastanlage in Gerbisbach bekannt ist, hat offenbar zum Durchbruch verholfen. Der Gerbisbacher Investor Harrie van Gennip habe den Kontakt vermittelt. Am Heuweg werden etwa vier Pflanzen pro Quadratmeter in Granulat oder auf Kokosmatten stehen. "Deshalb sind es auch keine Bio-Tomaten", sagt van Gog. Dazu müsste Mutterboden verwendet werden. Erntezeit soll vom März bis in den Dezember sein. Im Januar und Februar ist Zeit zur Vorbereitung der neuen Pflanzengeneration; die Tomaten werden wohl von einer Zucht nördlich von Berlin als Jungpflanzen bezogen werden.
Neben den Gewächshäusern werden auch ein Logistikzentrum und die Verwaltung vor Ort gebaut. "Die Wittenberger Gemüse GmbH wird ein eigenständiges Unternehmen sein", sagt Rehhahn. 100 bis 150 Mitarbeiter soll die bereits gegründete Gesellschaft haben. Im Gespräch ist auch ein Werksverkauf und van Gog liebäugelt mit den Touristen. Warum sie nicht durch die Hallen führen? "Die Leute wollen sehen, wie ihr Essen angebaut wird", so van Gog. Und vielleicht wollen sie auch Luthertomaten essen. "Die Markenrechte sind schon gesichert", sagt Rehhahn. Man werde sich eine von den 600 Tomatensorten aussuchen und sie unter diesem Label verkaufen.
Für Oberbürgermeister Naumann ist die Ansiedlung "ein Glücksfall für die Stadt". Die Nutzung passe sehr gut zu dem "Prognosegebiet", das damit auch vollständig belegt ist. Und die Anlage ist ein weiteres Argument für die Nordumfahrung. Drei bis vier Lastwagen, schätzt Rehhahn, werden die Tomaten jeden Tag abtransportieren. Und zwar in alle Himmelsrichtung. "Hier entsteht ein Verteilknoten", sagt Naumann auch mit Blick auf das Biodieselwerk. Allein mit einer schnellen Anbindung an die Autobahn, wie es die Ortsumfahrung Coswig verspricht, wird es nicht getan sein. Doch erst einmal wird die Erschließungsstraße gebaut. Fast eine Millionen Euro kosten die 500 Meter, 100 000 Euro muss die Stadt dafür bezahlen.