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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Kreuzritter an der Elbe

Von Matthias Prasse 30.01.2012, 16:53

Buro/MZ. - "Wow! Wonderful!" Garrett Gerard und seine Reisegruppe sind am Staunen. Und am Fotografieren, denn unaufhörlich piepsen die Auslöser ihrer Digitalkameras. Die Touristen aus Houston, Texas, USA, haben sich nicht etwa verfahren, was man annehmen könnte ohne böse zu sein, nein, das Dörfchen Buro mit seinen gut 320 Einwohnern war tatsächlich eines ihrer Ziele in Deutschland. Im Speziellen hatte man einen Besuch in der hiesigen Deutschordenskommende ins Auge gefasst, eine zugegebenermaßen stark sanierungsbedürftige Einrichtung aus der Zeit der Kreuzzüge und nunmehr stolze 752 Jahre alt.

Buros Geschichte ist in der Vielfalt der lokalen Rittergüter einzigartig. 1258 durch die Fürstenbrüder von Anhalt gegründet und den Rittern des Deutschen Ordens übergeben, erlebte das Haus die große Pest von 1348, die Hussitenzüge 1429 und es überstand die Reformation im 16. Jahrhundert, eine Ausnahme unter den geistlichen Einrichtungen in Anhalt. Kreuzritter an der Elbe? Für viele eine Überraschung. Doch so wie das Pflaster des einstigen Klausur-hofes dieser Tage wieder zum Vorschein kommt, so kehren auch Wissen und Erinnerung an einen ungewöhnlichen Aspekt der anhaltischen Landesgeschichte zurück.

Tödlicher Apfel

Nicht nur, dass hier mit Herrmann von Anhalt Ende des 13. Jahrhunderts ein Fürst selbst Deutschordensritter wurde, ein anderer Landesfürst, Albrecht II., verstarb sogar bei einem Besuch in Buro. Beim Gang auf die Polterkammer rutschte dieser auf einem am Boden liegenden Apfel aus, schlug hin und hauchte sein Leben aus. Bernhard VIII. schließlich war im 16. Jahrhundert Statthalter des Deutschen Ordens in Thüringen.

Die mittelalterlichen Gebäude der Kommende bildeten eine rechteckige Mehrflügelanlage und umschlossen einen fast quadratischen Innenhof mit Ordenskirche und Kapitelhaus im Süden. Einige gotische Fenster und Türen mit Spitzbogen sind die letzten Reste der frühen Blütezeit. Um 1700 ließ Komtur Samson vom Stain die Anlage modernisieren, die Wohnbereiche wurden großzügig im höfischen Barock gestaltet und schließlich eine große barocke Gartenanlage im holländischen Stil geschaffen, die zu den bedeutendsten ihrer Art in Anhalt zählte. Und auf gewisse Art hinterließ die Kommende ihre Spuren in der Literaturgeschichte: Friedrich Wilhelm von Hardenberg, vorletzter Landkomtur und häufig in Buro zu Gast, hatte seinen Neffen im Gefolge, den jungen Friedrich von Hardenberg, später besser bekannt als romantisch-empfindsamer Dichter Novalis (1772 bis 1801). Gut zwei Jahre lebte dieser beim "Onkel Komtur", bis der ihn zurück zu den Eltern schickte. Der Junge neige zum Poetisieren, ließ er den Vater wissen und mahnte zu Vorsicht.

Anwesen vor dem Untergang

Trotz reicher Geschichte hat nicht viel gefehlt und es wären nur noch Staub und einige alte Fotos geblieben. Mehrmals stand das historische Anwesen vor seinem völligen Untergang, so 1809 nach der Aufhebung des Deutschen Ordens durch Napoleon oder 1948, als man infolge der Bodenreform das Neue Haus von 1595 und den Seitenflügel mit dem großen Speise- und Festsaal abbrach. Sämtliche Bilder und Möbel wurden zwischen beiden einschneidenden Daten in alle Winde zerstreut. Was heute im Haus steht, kam erst in den letzten Jahren hinein, manches fand auf wundersame Weise seinen Weg zurück nach Buro, anderes wirkt so, als wäre es schon immer dagewesen. Eine Porträtsammlung von 28 Bildnissen von Rittern des Deutschen Ordens kehrte 2010, wenn auch nur als Reproduktionen, nach Buro zurück.

Die anhaltische Palme

Für das Jubiläumsjahr 2012 hat man sich in Buro etwas Besonderes ausgedacht: Unter dem Titel "Die Entdeckung der Heimat" werden rund 200 Originalgrafiken präsentiert. Sie zeigen Anhalt vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Daneben ist im historischen Küchengarten die wohl größte Sammlung historischer Nutzpflanzen aus Anhalt zu besichtigen. Darunter ist die Anhaltische Palme, eine Grünkohlsorte, die bis zu 1,80 Meter groß wird.

Wer die Deutschordenskommende besuchen will, kann dies von Mai bis Ende September jeden Samstag und Sonntag von 13 bis 16 Uhr tun.