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Nacht vor dem Abschlussgottesdienst Kirchentag Wittenberg: Die Nacht vor dem Abschlussgottesdienst

28.05.2017, 08:10
Es wurde Nachts auf den Elbwiesen recht kühl.
Es wurde Nachts auf den Elbwiesen recht kühl. dpa-Zentralbild

Wittenberg - Ganz leise schallen die Klänge über die Wiese. Langsam breitet sich die Musik von Vibrafon, Klavier und Posaune über dem Festgelände des Evangelischen Kirchentags am Wittenberger Elbufer aus. Noch ist die Sonne nur als orangeroter Schimmer am Horizont zu erkennen. Die ersten Gläubigen versammeln sich um die Musiker an dem großen Kreuz, das inmitten der Wiese aufragt. Verschlafene Gesichter, immer wieder ein herzhaftes Gähnen.

Einige versuchen, Arme und Beine mit den Händen warm zu reiben - es ist noch kühl am frühen Sonntagmorgen. Nur wenige Stunden ist es her, dass Hunderte Kirchentagsbesucher für die Nacht in ihre Schlafsäcke gekrochen sind. Gemeinsam wird mit der Andacht zum Sonnenaufgang das Finale des Glaubensfestes eingeläutet, das seinen Anfang am Mittwoch in Berlin nahm.

Kirchentag Wittenberg: Die Nacht vor dem Abschlussgottesdienst beginnt heiß

Gegen 19 Uhr am Abend zuvor: Noch immer liegt drückende Hitze über der Wiese. Überall haben sich kleine Gruppen gebildet, viele suchen den wenigen Schatten, den Pfeiler oder Absperrungen werfen. Picknickdecken werden ausgebreitet, eine Schüssel mitgebrachter Kartoffelsalat ausgepackt.

Andere lesen Zeitung oder ziehen sich eine Schirmmütze tief ins Gesicht und dösen vor sich hin. Eine Gruppe Pfadfinder spielt trotz der Hitze Volleyball.

Isomatten werden bereits ausgerollt, schon jetzt der Platz für die Nacht zurechtgemacht. Es sei auch ein bisschen die Abenteuerlust, die ihn zum Bleiben bewege, erzählt Martin Olejnicki. Der 33 Jahre alte Dessauer besucht mit seiner Familie regelmäßig Kirchentage. „Wegen der Atmosphäre“, sagt er. Die sei immer ganz besonders, oft entwickelten sich Impulse auch spontan aus der Gruppe heraus.

Andere zieht die angekündigte Musik auf die Elbwiese. „Es war immer mein Traum, die Gesänge aus Taizé zu hören“, sagt die 61-jährige Bärbel aus Heilbronn. Für die Nacht hat sie sich mit Jacke und Schlafsack gerüstet - als Unterlage muss ein großer Plastikmüllsack reichen.

Kirchentag Wittenberg: Nacht auf den Elbwiesen im Kerzenschein

Die Gesänge aus Taizé und die Brüder des internationalen, ökumenischen Männerordens aus der französischen Stadt stehen dann im Mittelpunkt der „Nacht der Lichter“. Tausende Gläubige sind gekommen. Fast jeder Besucher hat vorher ein kleines Teelicht bekommen, nach und nach entzünden sich die Lichter und ein Kerzenmeer breitet sich über die Wiese aus. Allerdings lässt der Wind immer wieder die ein oder andere Kerze erlöschen.

Nach der Andacht stehen einige der Brüder aus Taizé um das große Kreuz in der Mitte der Wiese. Wer mag, kann mit den Seelsorgern ein Gespräch führen. „In Taizé machen wir das jeden Abend“, erzählt einer der Brüder. „Es gehört zum Gebet.“ Immer wieder bleiben Besucher bei den Männern in ihren langen weißen Gewändern stehen, unterhalten sich für ein paar Minuten, bevor sie sich dem Ausgang des Festgeländes zuwenden oder ein paar Meter weiter in ihre Schlafsäcke schlüpfen.

Über die ganze Wiese verteilt bleiben schließlich Hunderte in ihren Schlafsäcken, um die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Von der Hitze des Tages ist nichts mehr zu spüren, viele haben sich in dicke Pullover gehüllt und Mützen aufgesetzt.

Der Himmel ist sternenklar, keine Wolke verdeckt den Blick zu den Sternen. Ein Mann mittleren Alters holt seine Zahnbürste aus dem Rucksack. Aus einer anderen Ecke des Geländes dringen leise „Happy-Birthday“-Gesänge herüber. Es ist Mitternacht. Zu hören ist sonst nicht mehr viel, außer dem fernen Brummen der Generatoren.

Und wie war die Nacht? „Kurz, kalt, aber auch ganz behütet“, erzählt Kirchentagsbesucherin Sylvia Kallach am Morgen und lacht. Christian Gotzen hat nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder unter freiem Himmel übernachtet. „Bezaubernd“ sei die Nacht gewesen, sagt der 57 Jahre alte Bremer. „Ich habe tief und fest geschlafen - wenn auch nur kurz.“ (mz/dpa)