Kirche in Zeiten von Corona Kirche in Zeiten von Corona: Jeder für sich?

Wittenberg - Als erstes fiel vor Ostern das Passionskonzert in der Stadtkirche Wittenberg den Corona-Schutzmaßnahmen zum Opfer. Jetzt zeigt sich, dass die von Seiten der Regierung angekündigten Lockerungen der Beschränkungen den Gemeinden vorerst nichts bringen. Gottesdienste können weiter nicht stattfinden, Konzerte sind gefährdet.
Abgesagt, erzählt Wittenbergs Stadtkirchenkantorin Heike Mross-Lamberti, habe sie jetzt ein Kindermusical, das am 26. April in Friedrichstadt aufgeführt werden sollte - unter Mitwirkung des Spatzenchores und der Jungen Kantorei. Zwar haben die Kinder geübt, aber eine gelungene Aufführung „ist ohne Liveprobe nicht zu schaffen“. Mross-Lamberti möchte das Musical jetzt in das Serenadenkonzert, das traditionell im Juni gegeben wird, integrieren. „Damit die Kinder nicht umsonst geübt haben“, erklärt sie.
Sonderproben im Sommer
Wackeln könnte unterdessen plötzlich auch das große Reformationskonzert, ein Highlight im musikalischen Kalender der Stadtkirchengemeinde, die immerhin rund 3.300 Mitglieder hat. Vor Ostern war Mross-Lamberti, wie sie selbst sagt, noch optimistisch. Da saß sie im Katharinensaal und hat an drei Terminen das Notenmaterial an die gut 60 Kantoreisängerinnen und -sänger ausgehändigt. Es habe „gute Gespräche“ gegeben, bei denen die Bereitschaft erkennbar geworden sei, sich auf Sonderproben im Sommer einzulassen, wenn eigentlich Pause wäre.
Angesichts des anspruchsvollen Programms, neben Werken von Johann Sebastian Bach und Francis Poulenc soll am 31. Oktober Ludwig van Beethovens Messe in C-Dur aufgeführt werden, sagt Mross-Lamberti, dass etwa sieben Monate Probenzeit benötigt werden. Dass es nicht reicht, wenn jeder für sich zu Hause probt, liegt auf der Hand.
Akustisches Übematerial mag eine Hilfe sein. „Unser Klang aber und das, was wir vermitteln wollen, entsteht erst im gemeinsamen Proben“, so Mross-Lamberti, die die Hoffnung noch lange nicht aufgibt. Skeptischer scheint sie da bei den Orgelmusiken zum Wochenschluss, eine beliebte Reihe auch bei Musikfreunden, die nicht der Kirche angehören.
Start ist eigentlich am 1. Mai und nach Auffassung der Kantorin sollte nichts dagegen sprechen, wenn Hygienevorschriften eingehalten werden und man dann noch bedenkt, dass (ohne Touristen) im Schnitt 50 bis 60 Zuhörer kommen, die sich auf 1.000 (!) Plätze verteilen können, während sie selbst weit entfernt auf der Empore die Sauer-Orgel spielt.
Umzug im nächsten Jahr
„Kommerz und Wirtschaft sind das eine, aber die Leute haben doch auch eine Seele“, sagt die Kirchenmusikerin und Chorleiterin, die findet: „Wir müssen möglich machen, was möglich ist“, allerdings gehe das eben nicht ohne offizielle Genehmigung.
Auf die hofft sie nun auch zeitnah, wenn es um die Proben fürs Reformationskonzert geht. Das wird, wie die meisten Veranstaltungen, ihr letztes Festkonzert an einem 31. Oktober in Wittenberg sein. Im Sommer 2021 geht Heike Mross-Lamberti in den Ruhestand. Mit ihrem Mann, dem Kirchenmusikprofessor Ulrich Lamberti, wird sie nach 21 Jahren Wittenberg ins Wendland ziehen. Sie haben dort ein Haus und sehr konkrete Pläne für die Zukunft.
Bis dahin gibt es einiges zu tun - auch jetzt und trotz Corona. Unter anderem müssen Noten- und Orgelarchiv sortiert werden. Natürlich übt sie selbst Beethoven. Und bereitet für Juni die Serenade vor, „im Vertrauen darauf, dass sie stattfinden kann“. (mz)