Kirche in Radis Kirche in Radis: Neues und echtes Schwergewicht

Radis - Jahrhundertereignis in Radis? Die Mitglieder der Kirchengemeinde und Pfarrerin Angelika Schiller-Bechert haben keine große Not, mit einem solchen Wort an die Öffentlichkeit zu gehen.
Radis hat Geschichte geschrieben. Nicht nur, dass hier Neptunentdecker Johann Gottfried Galle das Licht der Welt erblickte. Auch das Gotteshaus hat es in sich. So ist belegt, dass Luther und Melanchthon im Jahr 1528 Kirche und Schule in Augenschein nahmen. Die Kirche brannte im Dreißigjährigen Krieg nieder und wurde 1641 wieder aufgebaut. 1871 wurde der teilweise eingestürzte Kirchturm abgetragen. Die Glocken wurden in einem separaten Glockenstuhl aufgehängt.
Denn was letztmalig vor gut 400 Jahren geschah, erlebte nun eine Neuauflage. Im Auftrag der Gemeinde wurde in der Glockengießerei Lauchhammer eine neue Glocke für Radis gegossen. Seit ein paar Tagen ist ihr Klang zu hören.
Alles lief reibungslos: die vorbereitenden Arbeiten, der Guss, der Transport und selbst die Aufhängung der Glocke. „Auch der Gottesdienst war etwas Besonderes“, ist Angelika Schiller-Bechert überzeugt. Nicht nur, dass gut 250 Besucher gezählt wurden. Die offizielle Inbetriebnahme von Glocke und Glockenstuhl wurde zu einem Festtag.
Unglückliche Ereignisse
Dabei darf eine Sache nicht vergessen werden. Der Weg zur neuen Glocke war alles andere als einfach. „Manche Dinge fangen harmlos an“, erinnert die Pfarrerin an eine Verkettung unglücklicher Ereignisse. Als die Gemeinde nach Jahren endlich die Mittel für die Sanierung der 1610 in Kemberg von der Werkstatt Billich gegossenen Glocke zusammen hatte, wurden Fachleute aus dem Glockenschweißwerk Lachenmeyer in Nördlingen ins Boot geholt. Sie sollten den bis zur Schulter der Glocke reichenden Riss schließen. Der Schaden wurde bereits 1995 in einem Gutachten beschrieben.
Die Glocke schwieg seitdem. „Doch dann geschah das Unglück. Die Glocke ging beim Transport endgültig kaputt. Eine Reparatur machte erst einmal keinen Sinn“, erinnert sich Angelika Schiller-Bechert an die Schreckensnachricht, mit der so vieles anders zu werden drohte. Die kühnen Pläne von sanierten und wohlklingenden Glocken in einem für mehr als 50 000 Euro ebenfalls auf Vordermann gebrachten Glockenstuhl schienen gescheitert. Zumal die Gemeinde trotz Zuwendungen von Kirchenkreis, Lotto-Toto und anderen mit den Arbeiten finanziell an die Schmerzgrenze gegangen war.
Der Gedanke, weiter ohne zweite Glocke auskommen zu müssen, war allerdings nicht auf Dauer tragbar. Die Radiser entschieden sich für den neuen Guss und verfolgten das Jahrhundertereignis vor Ort in Lauchhammer. „Ein ganz besonderes Erlebnis“, blickt die Pfarrerin zurück. Dass die neue Glocke jetzt ihren Klang verbreiten kann, macht sie glücklich.
Dramatische Situation
Aus ihrer Gemütslage macht Angelika Schiller-Bechert keinen Hehl. Schließlich hat mit der neuen Glocke eine jahrelange Geschichte ihren Abschluss gefunden. Schon 2001 wurden in Radis erste Pläne geschmiedet, den maroden Glockenstuhl zu sanieren. 22 000 Euro wurden damals für den Bau veranschlagt. Das Geld konnte die Gemeinde nicht aufbringen. Zehn Jahre später sah die Situation noch dramatischer aus. Die Kosten wurden auf 90 000 Euro geschätzt. Abgespeckt schlugen für das Vorhaben immer noch 53 000 Euro zu Buche. Dazu kamen 30 000 Euro für die Glockensanierung.
Die Pfarrerin redet Klartext. „Wer spenden möchte, kann der Gemeinde auch heute noch unter die Arme greifen.“ Die Radiser haben für die Verwirklichung ihres Traumes von wohlklingenden Glocken einen Kredit in fünfstelliger Höhe aufnehmen müssen.
Auch die 1610 gegossene und beim Transport zerbrochene Glocke muss nicht endgültig ausgedient haben. Es gibt Bestrebungen, dass sie eines Tages auf dem Friedhof der Heidegemeinde klingen wird. „Es gibt da schon Ideen“, sagt Gräfenhainichens Pfarrerin Angelika Schiller-Bechert. Ins Detail möchte sie zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht gehen. (mz)
