1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Kind aus Landkreis Wittenberg hat Muskeldystrophie - Assistenzhund als Hoffnung

Hoffnung auf Vier Pfoten Wie ein Assistenzhund das Leben eines schwerkranken Mädchens aus Reinsdorf verändern könnte

Die achtjährige Johanna Sandvoß aus Reinsdorf bei Wittenberg leidet an Muskeldystrophie. Was die Krankheit mit ihr macht und wie ein Assistenzhund das Leben des Kindes und seiner Mutter verbessern könnte.

Von Corinna Nitz Aktualisiert: 07.12.2023, 12:41
Johanna Sandvoß leidet an einer seltenen Muskelerkrankung.  Mit ihrer Mutter bittet sie um Spenden für den Einsatz eines Assistenzhundes.
Johanna Sandvoß leidet an einer seltenen Muskelerkrankung. Mit ihrer Mutter bittet sie um Spenden für den Einsatz eines Assistenzhundes. (Foto: Thomas Klitzsch)

Reinsdorf/MZ. - Es war wohl Liebe auf den ersten Blick, als am 23. November Alexa durch die Tür kam und sich zu Johanna begab. Das Mädchen hat seine Hände ins Fell der Hündin gelegt; aus den Fotos, die an jenem Donnerstag entstanden sind, spricht Vertrauen. Assistenzhündin Alexa könnte im Leben der achtjährigen Johanna eine herausragende Rolle einnehmen, denn das Mädchen aus Reinsdorf leidet an Gliedergürtel-Muskeldystrophie.

Allerdings ist die Familie auf Spenden angewiesen, denn die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die professionelle Ausbildung der Hündin den Angaben zufolge nicht.

An Gliedergürtel-Muskeldystrophie leidet Johanna seit drei Jahren, schon jetzt kann sie vieles nicht mehr selbstständig machen. Sie ist auch auf den Rollstuhl angewiesen, sieht man einmal davon ab, dass sie in der vertrauten Umgebung zu Hause noch ein paar Schritte macht.

Hündin Alexa könnte nicht nur Hanni, wie ihre Mutter sie liebevoll nennt, unterstützen, sondern auch sie selbst, Christine Sandvoß: Sie ist voll berufstätig und seit einem Jahr allein verantwortlich für alles. Damals starb Johannas Vater. Umso bemerkenswerter ist es, mit welcher Ruhe, Würde und – jedenfalls äußerlich – gefasst die 49-Jährige, die noch zwei große Kinder hat, sich der besonderen Aufgabe widmet.

Die Krankheit zwingt Johanna Sandvoß in den Rollstuhl, aber auch im Haus nutzt sie einen Therapiestuhl wie diesen, der ihr Sicherheit gibt.
Die Krankheit zwingt Johanna Sandvoß in den Rollstuhl, aber auch im Haus nutzt sie einen Therapiestuhl wie diesen, der ihr Sicherheit gibt.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Gentest bringt Gewissheit

Johannas Start ins Leben war unkompliziert und unauffällig. Im Alter von fünf Jahren seien dann zunächst im Kindergarten Veränderungen des Gangbildes aufgefallen. Es folgten Besuche bei einem Osteopathen und verschiedenen Ärzten. Ein Gentest brachte schließlich die schreckliche Gewissheit, dass Johanna an einer progressiven Form der Gliedergürtelmuskeldystrophie erkrankt war. Ihre Muskeln werden abgebaut und neue nicht gebildet.

Die Krankheit kommt nicht oft vor. Bei der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) wird von 100.000 Betroffenen in der Bundesrepublik ausgegangen, bekannt seien bisher etwa 800 verschiedene Indikationen im Spektrum der Neuromuskulären Erkrankungen. Von etlichen Subgruppen spricht der Bundesgeschäftsführer der DGM, Joachim Sproß.

Manche dieser Untergruppen seien „selten oder sogar ultraselten“, das mache es schwierig Prognosen abzugeben. Klar scheint nur, dass Muskeldystrophien bislang nur in sehr wenigen Fällen geheilt werden können, es gibt, so Sproß, kaum kausale Therapien.

Was die DGM trotzdem tun kann? „Bedingungen verbessern und die Motivation hochhalten auch in akademischer Sicht“, wobei letztlich auch die Forschung nicht einfach sei, wenn es jeweils nur wenige Fälle gibt. Mut macht sicher, dass Sproß zufolge seit einigen Jahren die Spinale Muskelatrophie (SMA) mit neuen Therapien behandelbar sei.

„Viele Kinder profitieren davon. Auch bei den Myasthenien oder bei Morbus Pompe werden Enzymersatztherapien erfolgreich eingesetzt.“ Von Heilung könne nicht unbedingt gesprochen werden. „Aber die angesprochenen Therapieoptionen sind ein hoher Gewinn in der gesamten Forschung.“

Jeder einzelne Moment

Zurück zu Johanna. In der Heinrich-Heine-Schule in Reinsdorf besucht sie eine zweite Klasse. Zur Schule gebracht wird sie vom Fahrdienst des Behindertenverbands, sie hat eine Schulbegleitung. Unterstützung benötigt Johanna inzwischen bei vielen alltäglichen Dingen. Zu Hause stemmt Christine Sandvoß im Prinzip alles allein, die Eltern sind betagt und leben weit weg; in die Wittenberger Gegend ist Sandvoß vor anderthalb Jahren gezogen.

Was die Erkrankung betrifft, so sei man ans Sozialpädagogische Zentrum Chemnitz angeschlossen, die Kooperation sei gut, Sandvoß spricht von Ergotherapie und Krankengymnastik und von Rezepten für Hilfsmittel.

Johanna und Christine Sandvoß hoffen auf Spenden für einen Assistenzhund. Eine erste Begegnung mit Assistenzhündin Alexa, die auf dem Bild im Vordergrund zu sehen ist, gab es im November.
Johanna und Christine Sandvoß hoffen auf Spenden für einen Assistenzhund. Eine erste Begegnung mit Assistenzhündin Alexa, die auf dem Bild im Vordergrund zu sehen ist, gab es im November.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Seit kurzem gebe es einmal pro Woche Hilfe von einem Kinderhospiz, von dort kommt jemand und verbringt Zeit mit Johanna. Das ist auch eine Entlastung für Christine Sandvoß, die als Krankenschwester im Home-Care-Bereich tätig ist. Häufig gehe es dort auch um Palliativpatienten, sagt sie und betont: „Diese Arbeit macht einem bewusst, wie wichtig jeder einzelne Moment ist, den man zusammen hat, und wie dankbar man sein muss.“

Worum es geht

Zugleich spreche man offen über die Krankheit. Sandvoß sagt: „Schönreden geht nicht, aber wir machen es uns schön.“ Und dazu würde auch Alexa gehören, die in ihrer Ausbildung lernt, wie sie in vielfältiger Weise im Alltag Johanna unterstützen kann. Es gehe darum, „ihr Sicherheit zu geben und um ein Gefühl der Geborgenheit“.

Seit dem Kurzbesuch neulich für ein erstes Kennenlernen ist Alexa wieder im WZ-Hundezentrum bei Trainer Ulrich Zander in Mecklenburg-Vorpommern. Sie muss noch für Johannas Bedürfnisse geschult werden. Wenn alles passt und gespendet wird, könnte Alexa im Mai 2024 zu Johanna kommen.

Infos zur Gliedergürtelmuskeldystrophie, an der Johanna leidet, sind bei www.dmg.org online abrufbar. Unter www.wzhundezentrum.de steht das Zentrum im Internet.

Ein wenig Eigenständigkeit

„Hallo, ich bin Johanna, 8 Jahre alt und liebe das Leben!“ So werben Johanna und Christine Sandvoß auf einem Flyer um Spenden für einen Assistenzhund. Dieser könnte der achtjährigen Johanna ein wenig Eigenständigkeit erhalten. Kennengelernt haben Sandvoß und ihre Tochter das WZ-Hundezentrum auf einer Rehamesse. Ein speziell ausgebildeter Assistenzhund wird in brenzligen Situationen Hilfe holen, Gegenstände aufheben, beim Stehen und Sitzen stabilisieren, Türen öffnen und manches mehr. Die zertifizierte Ausbildung soll durch das WZ-Hundezentrum erfolgen.

Weil die Kosten dafür nicht von der Krankenkasse übernommen werden, wird um Spenden gebeten und erklärt: „Jeder Euro zählt, um das Ziel von über 30.000 Euro zu erreichen.“ Eingezahlt werden kann auf das Spendenkonto Servicehundzentrum e.V., Ostsee Sparkasse Rostock, IBAN: DE37 1305 0000 0201 1056 16, BIC: NOLADE21ROS. Verwendungszweck: „Assistenzhund für Hanni“. Wer eine Spendenquittung haben möchte, gibt seine Adresse mit an.