Gesellschaft In der Christuskirche Wittenberg stapelt sich Gedrucktes
Geben und Nehmen: Mit Büchern wollten sie zusätzlich zum Besuch der Christuskirche in Kleinwittenberg einladen. Jetzt sind es zu viele. Was mit ihnen geschehen soll und wer die Initiatoren inspiriert.

Wittenberg/MZ - „Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seine Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.“ Hermann Hesse wird dieses Zitat zugeschrieben und es ja wahr. In der Wittenberger Christuskirche jedoch haben sie ein kleines Problem, dort wurden in den letzten drei, vier Jahren zu viele Bücher abgegeben.
Ein paar hundert sind zusammengekommen, 400, vielleicht auch 600. In Bibliotheken würde man sich darüber wohl kaum Gedanken machen, aber eine Kirche ist nun mal keine Bibliothek, wenngleich die ursprüngliche Idee, Menschen auch zum Schmökern herein zu holen, gar nicht so weit davon entfernt ist. Um jedoch den derzeitigen Bestand etwas zu minimieren, sollen nun Bücher verschenkt werden.
Im Haus verteilt
Danach gefragt, was einmal den Ausschlag gab, Menschen zum Bücherspenden und Büchertauschen in die Christuskirche einzuladen, sagt Gisela Kummetz: „Der Impuls war, dass wir Axien kennengelernt haben.“ Dort steht bekanntlich die weit und breit einzige Bücherkirche, der Bestand wurde unlängst mit 10.000 Büchern angegeben und gerade hat sich auch der Wittenberger Landrat Christian Tylsch (CDU) wie berichtet einen Eindruck vor Ort verschafft (siehe „Vorbild Axien“). Vor einigen Jahren jedenfalls fanden die Wittenberger die Idee gut und konnten sich wohl vorstellen, diese zu adaptieren.

Am Anfang, erinnert sich Kummetz, die Vorsitzende des Gemeindebeirates ist, war es „das gewünschte Geben und Nehmen“. Also Menschen kamen und gaben Bücher ab, doch nahmen sie auch welche aus dem Bestand. Das scheint sich irgendwann geändert zu haben, jedenfalls sind mit Büchern gefüllte Regale inzwischen auf etliche Räume verteilt, nur nicht auf den zentralen Raum der Saalkirche. Der ist - anders als im Eingangszitat erwähnt - nicht mit Kostbarkeiten überfrachtet, eher das Gegenteil ist der Fall: Der Raum ist schön in seiner Schlichtheit und nichts lenkt ab von innerer Einkehr, so man sie sucht.
Was man sich vorstellen kann
Jetzt aber suchen sie erst einmal Abnehmer für das Zuviel an Büchern. Auf Genres angesprochen sagt Kummetz: „Alles, was man sich vorstellen kann, ist zu finden.“ Es gab also keine Vorgaben beim anfänglichen Sammeln, einzig in einem guten Zustand sollten die Bücher sein und hygienisch, sagen wir, einwandfrei. Wenn sie mit dem Verschenken durch sind, soll weiter aussortiert werden - alles Unansehnliche, Defekte oder Bücher, die „schmuddelig oder zer- und angerissen“ sind, wie es in einer Mail heißt. Und für die Zukunft muss dann wahrscheinlich gelten, einfach etwas weniger anzunehmen.

Anruf im Gemeindebüro
Gisela Kummetz jedenfalls, der die Christuskirche am Herzen liegt, nicht zuletzt weil sie dort familiär verwurzelt ist, ihr Vater Friedrich Wilhelm Krosch war einst dort Pfarrer, sie hat ein Rundschreiben verfasst. Eingeladen wird, sich Bücher vor Ort anzuschauen und - bei Gefallen - mitzunehmen. Praktisch kann das so funktionieren, dass Menschen, die interessiert sind, im Gemeindebüro anrufen, damit ihnen aufgeschlossen wird. Denn die Kirche ist außerhalb der Gottesdienste und Veranstaltungen nicht ständig zugänglich, aber wenn doch, weil beispielsweise jemand drinnen etwas zu tun hat, dann kämen auch mal Besucher rein.
Die Christuskirche in Kleinwittenberg gehört zum Kirchspiel Dobien, das Gemeindebüro befindet sich in direkter Nachbarschaft zu dem Sakralbau. Telefonisch ist es Montag bis Freitag von 10 bis 12 Uhr unter 03491/613866 erreichbar. Bei www.kirchspiel-dobien.de gibt es Infos online.
Vorbild Axien
Die Bücherkirche in Axien gibt es seit 2014, sie war eine Initiative von Mitgliedern der Gemeinde. Eigenen Angaben zufolge besannen sie sich darauf, was bereits Martin Luther vereinte: die Kirche und das geschriebene Wort. Sie wollten Bücher für alle. Betreut wird die Bücherkirche, die seit einigen Jahren Teil des Kirchenprojektes „Erprobungsräume“ ist, seit 2021 durch das ehrenamtliche Team um Gudrun Meilick.