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Hundert neue Wohnungen für Vögel in der Pfaffenheide

Von HEIKE TRAUTLOFF 22.03.2010, 18:30

COSWIG/MZ. - Hans Kanthak breitet eine zerschlissene Karte des Naturschutzgebietes Pfaffenheide / Wörpener Bach auf dem Anhänger seines Autos aus. Die Ecken rollen sich ein, ehemalige Knicke sind Rissen gewichen. "An diesen Punkten hier", sagt der frühere Revierförster und zeigt auf rote und blaue Kreuzchen mit Nummern daneben, "standen oder stehen Nistkästen für Vögel. Bald muss ich mir eine neue Karte besorgen." Besser wäre das, denn als der aktive Naturschützer die Karte zusammenrollt, wird der Blick frei auf Nistkästen, die die gesamte Fläche seines Autoanhängers ausfüllen. In den nächsten Tagen wird Kanthak im Naturschutzgebiet zwischen Coswig und Wörpen einhundert neue Nistplätze für die Waldvögel schaffen.

"Bei den Höhlenbrütern herrscht Wohnungsnot", erklärt der Rentner, der auch nach der Pensionierung immer wieder zurückgeht zu seinem alten Arbeitsplatz, dem Wald. "Die natürlichen Höhlen findet man nur in alten Bäumen. Auf einem Hektar Wald stehen gerade einmal 20 bis 30 dieser natürlichen Brutstätten." Als von der Unteren Naturschutzbehörde eingesetzter Naturschutzbeauftragter hat es sich der 65-Jährige zur Aufgabe gemacht, hier nachzuhelfen. "Mir liegt das Wohl der Umwelt einfach am Herzen." Unterstützung erhielt er vom Betreuungsforstamt in Annaburg, wo man die hundert Nistkästen kostenfrei baute.

Nah am Waldrand, dort, wo die Sonne nur selten hinscheint, liegen noch die letzten frostigen Überbleibsel des kalten und langen Winters. "Dieses Jahr ist alles etwas später dran", sagt Kanthak, "Für das Aufhängen der Nistkästen ist jetzt genau die richtige Zeit." Bestimmte Arten wie zum Beispiel der in der Pfaffenheide heimische Trauerfliegenschnäpper beziehen gar erst im April ihr Quartier.

Doch nicht nur ihm, der am häufigsten in diesem Gebiet vorkommt, sollen die Nistkästen bei der Brutpflege helfen. "Wir haben hier einige seltene Arten wie die Tannenmeise, die nur im Wald vorkommt, oder den Kleiber. Und ein großes Glück wäre es, wenn man dem Baumläufer ein Domizil bieten könnte, obwohl er eigentlich das Einflugloch von der Seite bevorzugt." Im Abstand von hundert Metern wird Kanthak die Kästen an die Bäume nageln, um einen größeren Teil des 485 Hektar umfassenden Naturschutzgebietes nördlich von Coswig abdecken zu können.

Kanthaks Engagement hilft jedoch nicht nur den Vögeln selbst sondern auch dem Wald als Ökosystem. "Ein Meisenpärchen zum Beispiel vertilgt bei der Aufzucht von zwei Bruten pro Jahr 40 bis 50 Kilogramm Insekten. Solche biologische Schädlingsbekämpfung ist zehnmal besser als jede Giftspritze", erklärt Kanthak die Folgen der "Wohnungsaufrüstung" in der Pfaffenheide. Soweit die Theorie, denn ob die Waldvögel tatsächlich in die neuen Nistkästen einziehen werden, soll sich im Mai offenbaren. Dann wird Hans Kanthak wieder seine Karte aufrollen, die Orte der neu gesetzten Kreuzchen ansteuern und einen Blick in die Vogelnester werfen. "Ist nur die Hälfte belegt, reichen die Kästen aus, wenn aber 80 bis 90 Prozent genutzt werden, müssen noch mehr dazukommen."

Dabei wird der ehemalige Förster auch die Nester unter die Lupe nehmen und aus dem Aufbau erfahren, welche Art darin nistet: "Meisen bauen ein dickes Polster aus Moos, während der Kleiber nur ein paar Rindenborkenschuppen übereinander stapelt und die Trauerfliegenschnäpper viel Laub und Gräser in ihr Nest tragen." Konkrete Auflistungen, welche Art wo und wie oft nistet, werden dabei jedoch nicht entstehen. "Dafür fehlt die Zeit", so Kanthak. "Ich bin einfach froh, wenn die Kästen von den Vögeln angenommen werden. Dann will ich sie auch gar nicht groß stören."