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Herdenschutz Hunde von Mario Lindenborn aus Reetzerhüten (Hoher Fläming) beschützen Schafe vor Wölfen

Von Ilka Hillger 12.02.2017, 06:00
Schutzhund und Familienhund: Mario Lindenborn beweist im Herdenschutzhundezentrum Reetzerhütten, dass beides geht.
Schutzhund und Familienhund: Mario Lindenborn beweist im Herdenschutzhundezentrum Reetzerhütten, dass beides geht. Thomas Klitzsch

Reetzerhütten - Am Holztor geht es nicht weiter. Arthus hat sich dahinter aufgebaut. Eindrucksvoll und respekteinflößend macht der große Hund jedem Besucher klar, dass es kein Weiterkommen gibt. Die alte Pferderanch in Reetzerhütten ist sein Revier und das von Hündin Snow. Die Schafe, die man blöken und die Hühner, die man gackern hört, sind seine Familie und tabu für alle Fremden, ob nun Zweibeiner, Katze, fremder Hund oder sogar Wolf.

Arthus lebt im Herdenschutzhundezentrum bei Wiesenburg, gleich an der Grenze zu Sachsen-Anhalt im Hohen Fläming. Gerade noch führt sich der Pyrenäen-Berghund so auf, wie man es von einem Herdenschutzhund erwartet, doch dann wandelt er sich. Mario Lindenborn kommt, und aus dem Wachhund wird ein verspielter Familienhund. Er wedelt mit dem Schwanz, schnuppert den Besuch ab und weicht nicht mehr von der Seite, fordert Streicheleinheiten.

„Es ist ein Märchen, dass Herdenschutzhunde nur ihren Halter an sich ran lassen“, sagt Lindenborn. Arthus und Snow sind sein Beispiel dafür. Wenn Chef Lindenborn dabei ist, sind der Rüde und seine Partnerin, ein Owtscharka-Mix, handzahm und umgänglich. Anders ist es in der Nacht. „Da steht der Wolf hinterm Zaun und traut sich nicht weiter“, weiß Lindenborn.

Sachsen-Anhalt wird ab dem 15. Februar ein Wolfskompetenzzentrum erhalten, das seinen Sitz im altmärkischen Iden hat. Wie das Umweltministerium Anfang Februar verkündete, werden die beiden Wolfsbeauftragten des Landes dort Schulungen zum Thema Risse anbieten. Ein Experte werde sich um den Komplex Herdenschutz kümmern. Anders als bislang will das Land 80 Prozent der Anschaffungskosten von Herdenschutzhunden fördern. Stimmt der Landesrechnungshof zu, könnten Schäfer schon ab März Anträge stellen. Geld gibt es dabei für den Kauf der Rassen Pyrenäen-Berghund und Maremmano-Abbruzzese. Bei einhundert Tieren sollen Schäfer Anspruch auf die Förderung zweier Hunde haben. Bei weiteren hundert Tieren steige der Anspruch. (mz/ihi)

Tiere vom Rudel aus Görzke machen einen Bogen um die einen Hektar große Anlage, die Mario Lindenborn im Mai 2014 eröffnete. 31 Welpen aus seiner Zucht hat er seitdem an private und gewerbliche Halter gegeben. „Ich weiß von keinem, der Probleme mit dem Wolf gehabt hat“, sagt der 47-Jährige.

Lindenborn kann man ohne weiteres einen Hundeflüsterer nennen. Er gründete 1996 eine Hundeschule, ist Ausbilder für Diensthunde und betreibt das Tierheim „Hoher Fläming“. Es ist ein besonderes Tierheim, denn dorthin kommen hauptsächlich verwahrloste Tiere, Hunde, die beschlagnahmt wurden oder deren Halter starben. „Ich habe einiges erlebt und gesehen“, so Lindenborn.

Mario Lindenborn ist Sachverständiger für gefährliche Hunde

Gleich hinterm Mann vom Schlüsseldienst steht er, wenn die Polizei Wohnungen öffnen muss, hinter deren Türen Hunde knurren. „Der Schlüsselmann springt allerdings zur Seite.“ Auf seine Schutzausrüstung kann Lindenborn trotzdem meist verzichten. Das Geschick im Umgang mit gestörten Tieren hat ihm die Anerkennung als Sachverständiger für gefährliche Hunde in Brandenburg gebracht.

Auf der eigenen Ranch ist Mario Lindenborn von brenzligen Situationen freilich weit entfernt. Die Welpen, die sein Herdenschutzhundezentrum nach acht Wochen verlassen, sind Menschen und Tieren freundlich gesinnt. Bald erwartet eine Hündin wieder Nachwuchs und dann ist es Lindenborns Aufgabe, mit der kleinen Hundegruppe den Rest seiner Menagerie zu erkunden.

„Die Welpen können überall hin“, erklärt er. Also stehen Besuche bei Schafen, Pferden, Kaninchen, Enten, Gänsen, Puten Hühnern, Nandus und Minischweinen an. „All diese Tiere halte ich eigentlich nur wegen der Hunde und sie machen viel mehr Arbeit als diese“, sagt der Züchter. Um die 14 Stunden verbringt er täglich im Zentrum.

So arbeitet der Hundeflüsterer Mario Lindenborn

Haben die jungen Hunde alle Tiere kennengelernt, dann begreifen sie diese als Teil ihrer Familie. „Je enger die Anbindung, desto mehr wird der Hund bestrebt sein, diese Familie zu schützen.“ Das tue er mit Drohungen und Warnungen gegen jeden, der sich seiner Herde nähert.

„Ein Herdenschutzhund arbeitet mit Köpfchen, wird aggressiver in Stimme und Haltung“, sagt Mario Lindenborn, der diese Hunde als effektivsten Schutz gegen den Wolf bezeichnet. „Sie sind besser als jeder Elektrozaun, denn es ist auch ein Mythos, dass Wölfe nicht springen.“

Allerdings seien die Hunde nicht bei jedem Nutztierhalter einsetzbar. Sie brauchen ein festes Territorium. Eines, wie Arthus und Snow es in Reetzerhütten haben, wo sie sich frei bewegen und immer wieder neuen Besuch empfangen. Denn längst ist das Herdenschutzhundezentrum zum Treffpunkt für jene geworden, die sich fürs Miteinander von Hunden und Nutztieren interessieren.

Schulklassen, Schäfer, Landwirte und Vertreter von Behörden kommen vorbei und informieren sich. Nur am Abend sollte man sich dem Gelände mit Bedacht nähern. Dann liegen Arthus und Snow auf der Wacht. (mz)