Hospiz für Wittenberg Hospiz für Wittenberg : "Leben bis zuletzt"

Wittenberg - „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Dame Cicley Saunders (1918 bis 2005) hat das gesagt, die britische Ärztin gilt als Wegbereiterin der Hospizbewegung und der Palliativmedizin. Seit Saunders 1967 in London das St. Christopher’s Hospice gründete, hat die Bewegung ihren Weg längst auch nach Deutschland gefunden. Trotzdem gibt es immer noch Landstriche, in denen man nach einem stationären Hospiz vergeblich sucht. Wittenberg und der Landkreis gehören dazu - noch. Denn am evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift soll ein stationäres Hospiz entstehen: Auf einer ehemaligen Bettenstation im Haus 4 möchte man wie berichtet acht behaglich gestaltete Einzelzimmer einrichten.
Sonnenblume als Symbol
Das Konzept steht, erklärte jetzt vor Medienvertretern der leitende Theologe der Paul Gerhardt Diakonie, Werner Weinholt. Was noch aufgebracht werden muss, sind Spendengelder in Höhe von 250 000 Euro. Das, so Weinholt, dürfte eigentlich nicht so schwer sein. Wenn, ja, wenn jeder der gut 130 000 Einwohner im Landkreis Wittenberg nur zwei Euro geben würde. Jene 250 000 Euro machen genau ein Drittel der Gesamtinvestitionskosten aus. Die Differenz zu den 750 000 Euro könnte die Paul Gerhardt Diakonie leisten. Das müsste sie auch, denn Kosten für die Errichtung eines Hospizes werden nicht vom Land Sachsen-Anhalt oder den Kassen finanziert.
Tatsächlich sind die ersten Spenden bereits geflossen, neben anderen hat sich der in Nachbarschaft zum Stift arbeitende Apotheker Christian Brink beteiligt. Nach Auskunft von Janet Pötzsch, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit am Stift, überbrachte er 300 Euro aus einer Kalender-Aktion. Er habe auch eine Spendendose in seiner Apotheke aufgestellt. Weitere sollen sich bald an vielen Plätzen im Landkreis finden. Man kann sie gut erkennen an dem für das Hospiz gewählten Symbol, das eine von einem geöffneten grünen Ring umgebene Sonnenblume zeigt. Seine persönliche Interpretation dieser Symbolik erläuterte jetzt der Wittenberger Propst Siegfried Kasparick: Für ihn stehe eine Seite des Rings für die Geburtsklinik im Stift, die andere für das Hospiz. „Leben bis zuletzt“, sagt er, und genau darum geht es.
Am 23. März sind alle Interessierten zur Auftaktveranstaltung des Projekts „Ein Hospiz für Wittenberg“ von 17 bis 19 Uhr ins Foyer des Paul Gerhardt Stifts eingeladen. Das Programm ist eng getaktet, etwa spricht um 17.15 Uhr Propst Siegfried Kasparick über die Bedeutung eines Hospizes für die Lutherstadt Wittenberg. 17.25 Uhr stellt die Hospizbeauftragte am Stift, Sindy Herrmann, das Projekt vor. Um 17.40 Uhr informiert Karin Barnard vom Paul Gerhardt Diakonie Förderverein über Möglichkeiten zu spenden. Der Chefarzt Stephan David und Andreas Pohl sorgen für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung, die vom leitenden Theologen der Paul Gerhardt Diakonie, Werner Weinholt, moderiert wird. Nach 18 Uhr besteht die Möglichkeit, die Räume des zukünftigen Hospizes zu besichtigen. Zudem werden ein Imbiss und Infostände angekündigt.
Schon jetzt sind weitere Veranstaltungen zugunsten des Hospiz-Projektes in Wittenberg geplant, dazu gehört auch ein Benefizkonzert des Lions Clubs Wittenberg: Am Abend des 28. Juli ist im Stadthaus das Suffolk Youth Orchestra mit 110 jungen Musikern zu erleben. Schirmherr ist der britische Botschafter in Deutschland, Sir Sebastian Wood. Cni
Beiwww.pgdiakonie.desteht das Hospiz-Projekt im Netz. Wer helfen und zum Beispiel selbst eine Spendendose aufstellen möchte, kann sich unter [email protected] per E-Mail an Janet Pötzsch wenden.
Ansonsten betonte Kasparick, der auch Schirmherr des Projektes und Mitglied im jüngst gegründeten Freundeskreis ist, erneut die Traditionslinie, in der man sich mit dem Hospiz in Wittenberg befinde. Sie reicht zurück bis zu Katharina von Bora, die sich um Pestkranke kümmerte, und geht über den Begründer der Inneren Mission und Diakonie Johann Hinrich Wichern bis zu Paul Gerhardt. Um ihn, den Pfarrer und Liederdichter aus Gräfenhainichen, zu ehren, beschloss man 1876 kein Denkmal aus Stein zu setzen, sondern legte den Grundstein für das heutige Paul Gerhardt Stift. Diesen Gedanken der „praktischen Nächstenliebe“, des Dienstes am Bedürftigen, wollen sie nun 500 Jahre nach der von Martin Luther angestoßenen Reformation neu aufgreifen. Das heißt auch, bis 2017 soll das stationäre Hospiz arbeitsfähig sein.
Schon lange arbeitsfähig sind zwei ambulante Hospizdienste im Kreis Wittenberg. Neben dem Verein „End-lich Leben“ von Dorothea Schnee ist dies der ökumenische Hospizdienst am Stift mit seinem Palliativ Care Team. Allein durch den Dienst am Krankenhaus mit derzeit 70 ausgebildeten Ehrenamtlichen gab es 2014 im ambulanten Bereich 88 Begleitungen und zwölf im stationären. 146 Patienten wurden im ersten Halbjahr 2015 vom Palliative Care Team betreut. Nach Auskunft von Sindy Herrmann, Hospizbeauftragte am Stift, verstarben 95 Prozent aller versorgten Patienten in der häuslichen Umgebung. „Aber bei allem, was wir schaffen, bleiben auch Lücken“, so Herrmann.
Erfahrungen aus Berlin
Schließen kann solche Lücken (gemeint ist etwa die Versorgung Schwerstkranker) ein stationäres Hospiz und angesichts der Tatsache, dass das nächste seiner Art erst im 40 Kilometer entfernten Dessau ist und Wartezeiten im allgemeinen lang sind, sehen Herrmann und ihre Mitstreiter einen großen Bedarf vor Ort. Bei der Frage nach einem geeigneten Standort in Wittenberg standen besonders zwei Aspekte im Vordergrund: Es sollte ein Ort sein, an dem gelebt wird und medizinische Versorgungsmöglichkeiten nah sind. Das Haus 4 des Paul Gerhardt Stifts bietet beides - auf der Etage zwischen einem onkologischen Zentrum und der Station für Palliativmedizin soll nun das Hospiz entstehen. Mit wohnlichen Zimmern nebst Bädern, einem Raum der Stille ebenso wie einem Gemeinschaftsraum sowie u. a. einem separaten Bereich für Familien und Angehörige. Sogar einen Wintergarten wird es geben, von dem aus die künftigen Gäste, wie Hospizpatienten genannt werden, in den Garten mit Teich schauen können.
Betreut werden sie von einem Team aus Pflegenden, Seelsorgern, Sozialarbeitern, Ärzten und Ehrenamtlichen. Nicht nur im Hinblick auf die personelle Umsetzung wird man in Wittenberg auf Erfahrungen aus Berlin aufbauen können. Dort hat die Paul Gerhardt Diakonie bereits 2013 im Stadtteil Wilmersdorf ein stationäres Hospiz eröffnet und ermöglicht Schwerstkranken ein „würdevolles, schmerzfreies und selbstbestimmtes Leben bis zuletzt“. (mz)
