Hochwasserschutz in Kleinwittenberg Hochwasserschutz in Kleinwittenberg: Auf der Mauer, auf der Palme
Wittenberg - Im jüngsten Bauausschuss hatte Eberhard Schulze (Linksfraktion) ein kleineres Fass aufgemacht. Ob die Verwaltung davon wisse, dass in Kleinwittenberg die „Gemüter erhitzt“ seien - und ob und was sie dagegen zu tun gedenke? Es klang, als würde Schulze die Kritik zumindest verstehen. Was ist passiert im Schifferviertel an der Elbe? Nun, die neue Mauer steht.
Längste Bank der Stadt
Im Sommer ist an der Elbpromenade die Hochwasserschutzmauer fertig geworden. Sie soll, wie der Name sagt, die Anwohner vor der Elbe schützen - und gleichzeitig für Wittenberger und Touristen als Sitzgelegenheit dienen, was ihr den Namen „längste Bank der Stadt“ eingebracht hat. An dem sonnigen Spätsommertag im Herbst, als die MZ die Promenade aufsucht, sitzt niemand drauf, es ist gerade genug Platz auf den Bänken in der Umgebung.
Was ihre Funktion als Stadtmöbel angeht, erntet die Mauer allerdings einhelliges Lob. Bei schönem Wetter habe es hier zuvor häufig zu wenig Sitzgelegenheiten gegeben, sagt eine Wittenbergerin aus der Umgebung, die hier mit einer Freundin entspannt in die Sonne blinzelt. „Optisch schön“ sei die Schutzmauer geraten, findet die Frau, und wenn sie dann noch ihren Zweck erfülle...
Nach längerer Suche findet die MZ tatsächlich jemanden, der den Sinn der neuen Mauer rundweg in Frage stellt. „Quatsch“ sei die, sagt der Wirt des „Goldenen Ankers“, Georg Hoffmann. Das Bauwerk sei „zu kurz geraten“ und damit auch „rausgeworfenes Steuergeld“.
Im Übrigen befürchte er, dass bei Starkregen das Wasser jetzt nicht mehr sofort in die Elbe, sondern in die Keller der Anwohner fließe, sagt Hoffmann, der mit der Stadt wegen der Mauer unterdessen noch ein ganz anderes Hühnchen zu rupfen hat - er befinde sich gegenwärtig in einer juristischen Auseinandersetzung mit der Verwaltung, weil er während der Bauarbeiten seinen Biergarten am Elbufer zwischen April und August werktags nicht habe öffnen können.
Vorwurf der Verschwendung
Die Stadt Wittenberg hatte die Kritik an der Hochwasserschutzmauer gleich nach Bekanntwerden der von Schulze kolportierten Vorwürfe vehement zurückgewiesen. „Wir verwahren uns“ gegen die Unterstellung einer „Steuerverschwendung“, erklärte Sprecherin Karina Austermann gegenüber der MZ. Auch die technischen Einwände wies sie zurück.
Die Mauer sei in enger Abstimmung mit Experten, insbesondere dem Amt für Hochwasserschutz, errichtet worden, ihre Beschaffenheit orientiere sich an den jüngsten Höchstständen der Elbe 2013 und 2002. Das Bauwerk war wie bereits früher berichtet gegenüber den ursprünglichen Planungen von 100 auf 85 Meter verkürzt worden. Argumentiert wird hier - abgesehen von der Kostenersparnis - mit der Beschaffenheit des Geländes, das im westlichen Bereich der Promenade keiner Mauer bedürfe. Anwohner in jenem Bereich berichteten der MZ, dass sie seinerzeit tatsächlich nicht von Hochwasser betroffen waren.
Darüberhinaus verbliebene Lücken würden von der Feuerwehr gesichert werden können, versicherte Austermann. Dies gilt allen voran für den Dammbalken, der gegenwärtig bei der Feuerwehr in West lagere und bei Bedarf den Durchgang in der Mauer verschließt. Ansonsten kämen im Umfeld Sandsäcke zum Einsatz.
Ein Hochwasser ist derzeit freilich, zum Glück, nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil liegt die Kreuzfahrt am Boden. An den Daueranblick der (bei entsprechendem Wasserstand) unter Schweizer Flagge fahrenden „Viking Beyla“ etwa haben sich Wirt Georg Hoffmann und die anderen Promenadenanlieger gewöhnt.
Ob die Verwaltung, wie von Stadtrat Eberhard Schulze vorgeschlagen, eine Veranstaltung organisieren wird, um die von diesem diagnostizierten Wogen an der inzwischen nicht mehr ganz neuen Hochwasserschutzmauer zu glätten, blieb zunächst offen. (mz)