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Haus Melanchthon in Wittenberg Haus Melanchthon in Wittenberg: Gymnasium ist bis auf die Knochen enthüllt

Von Irina Steinmann 13.12.2019, 19:11
Die Baufachleute des Kreises Ines Behrens (li.) und Thomas Wendt mit Schulleiterin Anja Aichinger.
Die Baufachleute des Kreises Ines Behrens (li.) und Thomas Wendt mit Schulleiterin Anja Aichinger. A. Baumbach

Wittenberg - Ehemalige Schüler würden sich vielleicht ein bisschen erschrecken. Hinter der blauen Verhüllung ist im Inneren vom alten Melanchthon-Gymnasium derzeit nicht mehr viel zu sehen. In den Klassenzimmern sind die Böden bis auf die Balken und den Dreck dazwischen abgetragen, auch in der einst prächtigen Aula fehlt die Dielung, zum Schutz verhängt ist dort das legendäre Wandbild. Und in der benachbarten Turnhalle sieht es nicht besser aus, ganz im Gegenteil, sie ist komplett entkernt.

Kurzes Intermezzo

Ein gutes halbes Jahr nach Aufstellung der Baustellenschilder am 23. Mai dieses Jahres hat der Landkreis am Donnerstag erstmals auf diese so wichtige Baustelle im Herzen der Lutherstadt geladen, um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren. Mit Ausnahme eines kurzen Intermezzos rund ums Reformationsjubiläum 2017 stand das Schulhaus ja seit mehreren Jahren leer, lange hatte dem Kreis das Geld gefehlt, den Schwechten-Bau von 1888 zu sanieren.

Dann aber rutschte man doch noch in ein millionenschweres Förderprogramm: Unter dem Banner der „Energetischen Sanierung“ wird der Stadtgesellschaft und natürlich der Oberstufe des Luther-Melanchthon-Gymnasiums ein rundum saniertes Gebäude zurückgegeben werden können. Der Kostenrahmen liegt laut Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) gegenwärtig bei 8,6 Millionen Euro, einschließlich Außenanlagen, die der Kreis selbst zahlen muss. Ende 2020 soll, muss alles fertig sein, so will es der Fördermittelgeber.

Ein durchaus „sportlicher“ Zeitplan, wie Fachdienstleiterin Ines Behrens einräumt. Zumal das mehr als 130 Jahre alte Haus, wie die allermeisten Bestandsgebäude, die eine oder andere Überraschung bereithält. Da muss man sich nur mal die Turnhalle ansehen. Der Geräteraum, ein Anbau aus späteren Jahrzehnten, hatte anders als erwartet überhaupt kein Fundament - er musste komplett abgerissen werden und wird durch einen Neubau ersetzt -, die Halle selbst bekommt einen komplett neuen Boden, hier steht man derzeit in Sand und Staub. Und auch die Holzdecke samt dem Gebälk darüber bietet laut Bauleiter Thomas Wendt mehr Herausforderungen, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Aber zurück ins Haupthaus, wo inzwischen ebenfalls ein kleiner Anbau verschwunden ist, dort waren, Schüler werden sich erinnern, die Toiletten. Wie die Turnhalle hat das Schulhaus am Grund bereits eine neue Abdichtung bekommen. Die Dacharbeiten haben begonnen und im Innenbereich ist der Abbruch weit fortgeschritten. Im Januar hoffe man die Rohbaugewerke vergeben zu können, so Wendt, damit das Frühjahr über dann gebaut werden kann.

Warme Luft aus dem Keller

Auch im Schulhaus haben sie einige unerwartete Funde gemacht, solche, die es zu beseitigen gilt, und andere, die Einblick geben in eine so andere Epoche, über die gleich mehrere Staatsformen hinweggegangen sind, mit ihrer jeweiligen Ästhetik oder dem bloßen Mangel. Eine historische Heizungsanlage zum Beispiel haben sie im Keller gefunden, berichtet Wendt, über Schächte wurde von dort aus warme Luft in die Klassenzimmer geleitet. Die Unterrichtsräume von heute bekommen Fußbodenheizung, wir erinnern uns: energetische Sanierung!

Weil es sich um ein „hochrangiges Denkmal“ (Behrens) handelt, waren vor den Bauarbeitern selbstredend die Restauratoren da. Und haben in ihrer Befunderhebung durchaus Erstaunliches zu Tage gefördert. Das Melanchthon-Gymnasium war in seiner Entstehungszeit ungleich bunter, als man es zuletzt (abseits seines Schmuckeingangs und der Aula) erlebt hatte. Von wegen Hellgrün und Eierschale - an Säulen und Kapitellen etwa prangte auch mal kräftiges Rot. So etwa soll es auch wieder werden, wenngleich Zeit und Geld gewisse Grenzen setzen.

Selbst die Aula, schon bisher ein Prachtstück, war früher ungleich prächtiger. Adler und Drachen haben sie entdeckt an den Wänden - die im Übrigen vollständig, ja: vollständig farbig bemalt waren. In welchem Zustand diese Bemalung erhalten wird, hieß es, sei noch nicht entschieden, dass das schnöde Wandweiß darüber verschwindet, ist freilich gesetzt. (mz)

So schlicht sahen die Abschlüsse der Säulen im Treppenhaus vor 130 Jahren nicht aus. Tatsächlich fand sich hie und da sogar kräftiges Rot.
So schlicht sahen die Abschlüsse der Säulen im Treppenhaus vor 130 Jahren nicht aus. Tatsächlich fand sich hie und da sogar kräftiges Rot.
Baumbach
Die Turnhalle, im Vordergrund links die Fläche des abgerissenen Anbaus
Die Turnhalle, im Vordergrund links die Fläche des abgerissenen Anbaus
Baumbach