Hauptbahnhof in Wittenberg Hauptbahnhof in Wittenberg: Jetzt gibt's Würstchen zum Kaffee

Wittenberg - Dietmar Klingner hat Gesellschaft bekommen: Neben seinem Coffeebike wird gegrillt. Seit Wochenbeginn fährt am Wittenberger Hauptbahnhof jetzt regelmäßig auch ein, wie wollen wir es nennen: Wurstelbike? vor. Am Steuer: Mario Svoboda. Der 41-Jährige hat schon größere Gefährte gelenkt, Svoboda war lange Jahre Lkw-Fahrer, später dann sattelte er allerdings um: Seit dem Frühjahr kutschiert er Touristen mit der froschgrünen Altstadtbahn durchs Städtchen und der Hauptbahnhof ist eine der Stationen, die er mehrmals täglich anfährt. Um rasch festzustellen: „Hier gibt’s ja weit und breit nichts.“
Dass sich der gelernte Schlosser nun aber zusätzlich ins Wurstwesen begeben hat, hat noch einen anderen Grund, wie Svoboda berichtet, während ein Mann neben ihm behutsam die Bratwürstchen wendet: sein Schwager aus Rumänien, er sollte einen „vernünftigen Job“ bekommen. Jurii Dan ist Svobodas erster Angestellter und wird den Laden meistens schmeißen. Bei Bedarf, sagt der gebürtige Wittenberger („Piesteritzer“), würden allerdings auch seine - Svobodas - Frau und sein Vater eingespannt. Denn die Altstadtbahn wird er weiter fahren - und im Winter seine Pension betreiben in den Karpaten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Grillfahrrad - mit dem Svoboda bzw. das jeweils diensthabende Familienmitglied - dann auch abends wieder zurück nach Piesteritz radelt, ist eine Spezialanfertigung aus Schönebeck, berichtet der Nebenerwerbswirt. Es gebe das Rad auch als Suppenmodell, Svoboda fand aber Wurst erfolgversprechender. Gasgrill, Frischwasser- und Abwassertank, Kühlschrank, das Fahrrad erfüllt alle Anforderungen, auch und insbesondere die hygienischen. Wie um das noch zu unterstreichen, hat Svoboda neben dem chromblitzenden Waschbeckchen deutlich sichtbar Flüssigseife und Desinfektionsmittel aufgebaut...
Seine Waren bezieht er eigenen Angaben zufolge von Wittenberger Firmen, verschiedenerlei Wurst und Steak aus dem Hause Reinsdorfer, die Brötchen kauft er beim Nachbarn in Piesteritz, der Bäckerei Stoffregen. 25 Stück davon und ein paar mehr Würste sollten für den Anfang reichen, sagt er am allerersten Vormittag und öffnet den Brötchenkorb. Schwager Jurii hat da schon die ersten Würstchen an den Mann gebracht. „Hunger macht böse“, sagt der Kunde, der gerade jemanden zum Zug gebracht hat, einen sehr wahren Satz.
Und „Konkurrenz belebt das Geschäft“, hofft Svoboda, angesprochen auf den neuen Hauptbahnhof, der, unter anderem, ja auch eine Imbiss-Gelegenheit bieten soll. Keine zwei Monate sind es mehr bis zur Eröffnung des neuen, „grünen“ Empfangsgebäudes. Noch sind auf dem Gelände viele Bauarbeiter unterwegs; wenn auch sie seine Kunden werden, umso besser, findet Svoboda. Der Piesteritzer ist nicht der erste, der mobil Wurst verkauft in Wittenberg; in der Altstadt versuchte das in diesem Sommer der Rikscha-Fahrer Uwe Bechmann. Man kenne sich, sagt Svoboda. Er hätte Bechmann, wenn der es gewollt hätte, auch den Vortritt gelassen am Hauptbahnhof. Anders als im Sanierungsgebiet Altstadt ist ein mobiler Wurstgrill auf der städtischen Fläche am Bahnhof - mit der entsprechenden Genehmigung eines „Reisegewerbes“ - nämlich kein Problem.
Kein Problem hat auch der Nachbar mit dem Neuen. Dietmar Klingner freut sich vielmehr über das „ergänzende Angebot“. Er muss jetzt auch seltener den Kopf schütteln: Was glauben Sie, sagt Klingner, wie oft er selbst nach Essen gefragt worden sei. Jetzt gibt’s Würstchen zum Kaffee, oder davor.
Vor Ort ist das Grillbike täglich (außer sonntags) von 10 bis 18 Uhr.
(mz)