1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Harfenmusik vom Mittelalter bis zur Neuzeit

EIL

Harfenmusik vom Mittelalter bis zur Neuzeit

Von ERHARD HELLWIG-KÜHN 27.07.2009, 17:47

KEMBERG/MZ. - Eine angenehme Abwechslung nach dem Dudelsack-Gequäke über einem Bordun, das zum mittelalterlichen Getümmel gehört wie Senf mit Sauerkraut zum Mutzenbraten. Die Harfe hat übrigens eine viel längere musikalische Tradition. Und sie war essentieller Bestandteil des Bardengesangs. Man kannte sie schon vor mehreren tausend Jahren in Ägypten und Mesopotamien.

Interessante Anekdoten

Dagmar Flemming beschränkte sich bei ihrer Darbietung nicht nur auf das reine Harfenspiel. Sie hielt viele interessante Anekdoten aus der Musikgeschichte bereit, erläuterte ihre Instrumente und die Spieltechnik. Es verwunderte nicht, dass die Kirche fast bis auf den letzten Platz gefüllt war. Nach dem Konzert waren die Besucher eingeladen, auch einmal auf einer Harfe zu zupfen: "Aber bitte nicht die Pedale auf der Konzertharfe treten, denn wenn die kaputt gehen, wird es sehr teuer. Meine Instrumente sind nicht versichert."

Dagmar Flemming begann mit der Gotischen Harfe und stimmte einen Klagegesang (Lamento Tristano), "ein Urstück für die Harfe" aus dem 13. Jahrhundert, an, das der rein diatonischen Stimmung entsprach und bei der in jeder Oktave sieben Töne anstatt zwölf zur Verfügung stehen. Auf der Schnarrenharfe intonierte sie ein Klagelied Heinrich VIII. ("My Lady Carey's Dompe"), man höre und staune! Dieser Monarch schlug also nicht nur gelegentlich seinen abgelegten Ehefrauen den Kopf ab, nein, er konnte auch komponieren! Ein entzückendes Stück übrigens, das schallmaienmusikartig auf diesem erlesenen Instrument zu Gehör kam. Es sei "ein sehr wertvolles Instrument, etwa vergleichbar mit einem Porsche, aber vor der Fusion mit VW", erläuterte Flemming.

Auf der Italienischen Barockharfe kamen eine Sarabande von Frescobaldi, ein Stück von Antonio Valente und der Tanz "Il Gazollo" aus dem Castell' Arquato, einem Kloster auf den östlichsten Hügeln der wunderschönen Landschaft von Piacenza, zu Gehör. Man betete und arbeitete im Kloster des 16. Jahrhunderts also nicht nur. Auf der Keltischen oder Klappenharfe made in Japan wurden verschiedene Traditionals, zum Beispiel das bekannte "Greensleaves" aus England gespielt, auch das fast himmlisch schön klingende irische Traditional "Summer in Eire". Zum Schluss dann die große Harfe mit Offenbachs Barcarolle aus Hoffmanns Erzählungen, Bachs C-Dur-Präludium und das Andante aus der C-Dur-Sonate von dem "eingebildeten und kleinkarierten" (Flemming) und im Wettstreit hoffnungslos unterlegenen Beethoven-Herausforderer Daniel Gottlieb Steibelt. Die Sonate schrieb er für seine Frau, eine Harfenistin.

Beeindruckend orientalisch

Die ganze Palette harfenistischer Spielkunst konnte man dann abschließend mit dem Stück "Orientale" des Franzosen Alphonse Hasselmans erleben, mit Arpeggio, Glissandi (um die das Orchester die Harfenisten immer beneiden) und Flageolette. Hasselmans war zwar nie im Orient, aber beeindruckend orientalisch war es dennoch. In den Schlussakkord mündete dann unfreiwillig das Spiel eines Dudelsacks. Immerhin: Die Tonart stimmte.