Halbzeit in Wittenberg Halbzeit in Wittenberg: Oberbürgermeister Zugehör mit Glücksmomenten

Wittenberg - Aus dieser Nummer kommt er nicht wieder raus. Die 2017, die ja soviel mehr ist als eine Zahl, begleitet ihn ja sogar länger, als er Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg ist, genau genommen schon seit 2009, da war Lutherdekade und er Bürgermeister.
Ohne 2017 kann also auch ein Bilanzgespräch mit Torsten Zugehör zur Halbzeit im Oberbürgermeisteramt kaum funktionieren. Zugehör wird einmal das Stadtoberhaupt gewesen sein, das Wittenberg auf das Jubiläumsjahr hinführte und 2018 fff. versucht hat, das Beste daraus zu machen.
Geschenk mit Folgen
Auf das Reformationsjubiläumsjahr selbst lässt er dabei nach wie vor nichts kommen. Nicht besser, sondern schlechter stünde die Stadt heute da, hätte es 2017 nicht gegeben, zeigt er sich überzeugt. Da ist eine bauliche Entwicklung, die ihresgleichen sucht in den zurückliegenden 500 Jahren, ein „riesiges Geschenk“, wie Zugehör findet. Und da seien die Wittenberger, die ungeachtet verschiedener Milieus zueinander gefunden hätten.
„Wir waren ein guter Gastgeber und können als Stadt zufrieden sein“, so Zugehör. Dass sich 2018 demgegenüber „für viele als ein Jahr der Ernüchterung“ erwiesen habe, sei so. Wieder Alltag eben, mit „deutlich weniger Glücksmomenten“ als 2017. Auf der Haben-Seite liegt freilich was. Die Fortführung der Konfi-Camps etwa. Auch sei die Hoffnung auf eine dauerhafte Nachfolgerin der Avantgarde-Ausstellung im Alten Gefängnis „noch nicht beerdigt“.
Derzeit fehlt es hier wie berichtet mindestens an Geld. „Wir hören nicht auf zu kämpfen“, verspricht Zugehör in dieser Frage für die anstehende zweite Hälfte seiner Amtszeit. Und das Asisi-Panorama? Muss man mal sehen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es bleibt.“ Bisher ist dessen Abbau für 2021 vorgesehen, mit der anschließenden Option auf eine Wohnbebauung.
Eine Feuerwehr zieht um
Die Tage seit Anfang Juli 2015 - da übernahm der damals 43-jährige Bürgermeister Zugehör das Amt von Eckhard Naumann (SPD) - waren freilich dann doch noch viel mehr als Reformationsjubiläum. Die Feuerwehr fand dank der Kooperation mit SKW nicht nur ein neues Domizil in Piesteritz, im Januar 2018 konnte die neue Hauptwache offiziell in Betrieb genommen worden.
Zu den Errungenschaften zählt Zugehör auch die Gründung des kommunalen Bildungsunternehmens „Kommbi“, das Kitas, Grundschulen und die Stadtbibliothek unter einem Dach vernetzt. Dass das umstrittene Landesgesetz Kifög bis heute „die Facharbeit komplett überlagert“, Debatten über Leitungsstunden und Kostenansätze Zeit auffressen, die eigentlich in das avisierte Ziel fließen sollte, sei indes bedauerlich. Zugehör erneuerte in diesem Zusammenhang auch seinen Vorschlag fürs Bildungswesen, über Gemeindegrenzen hinweg „Schulverbünde“ einzurichten, um Schließungen bzw. lange Schulwege bei sinkenden Schülerzahlen zu vermeiden; konkret nannte er einmal mehr als mögliche Kandidaten in der Zukunft Pratau (Wittenberg) und Dabrun (Kemberg).
Drittes großes Projekt aus der ersten Halbzeit des Oberbürgermeisters ist dessen Auffassung zufolge die Fußgängerzone. „Auf jeden Fall haben wir den Durchgangsverkehr herausbekommen“, konstatiert Zugehör. Gleichwohl sei deren Zustand, wie er einräumte, alles andere als zufriedenstellend. „Es wird nicht so bleiben, wie es ist“, kündigte er an, dies werde allerdings eine Aufgabe für den neuen Stadtrat sein, der im Mai gewählt wird.
Man müsse, so Zugehör, die Fußgängerzone auch im Zusammenhang mit dem Altstadt-Handel betrachten, der vielen als Sorgenkind gilt. Wie berichtet bemüht sich die Stadt in dieser Frage auch um die Bestellung eines City-Managers. Zuletzt waren Stadt und Händler zusammengerückt, diese Treffen hätten sich bewährt und sollen fortgesetzt werden, sagte der Oberbürgermeister, der sich bei dieser Gelegenheit einmal mehr für ein Ladenschlussgesetz aussprach, das es den Städten auch in der Praxis ermöglicht, die erlaubten vier Sonntagsöffnungen zu nutzen.
Wie weiter mit den Orten?
Mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) „Wittenberg 2017+“ (die MZ berichtete mehrfach) wird sich die Lutherstadt verstärkt auch ihren Ortsteilen zuwenden. Der mit dem Wunsch nach einer Ortschaft Piesteritz in Gang gekommene Prozess werde zu Jahresbeginn an Fahrt aufnehmen, kündigte Zugehör zunächst Gespräche mit den Ortsbürgermeistern an. Es gibt wie berichtet auch Überlegungen, Ortschaften mangels Masse zusammenzulegen. Wie wichtig andererseits Schule und/oder zumindest Kita für eine Ortschaft sind, machte der Oberbürgermeister am Beispiel Feuerwehr deutlich: Wo diese fehlten, sei die Nachwuchssuche für die Wehr ungleich schwerer.
„Was wir mit dem ISEK gestartet haben, werden wir l e b e n müssen“, stellte er für die gesamte Stadt klar, dass es sich nicht bloß um Papier handelt. Die Lutherstadt als „Markenkern“, flankiert von der Industrie- und der Stadt an der Elbe also. Nicht nachlassen wolle er zudem im „Ringen um junges, akademisches Leben“, sagte Zugehör und nannte hier insbesondere die Leucorea, aber auch das Institut für Deutsche Sprache und Kultur mit seinen Kursen in Deutsch und Landeskunde.
Zukunftsmusik mit ICE
Einmal mehr zog er Wittenberg dabei auch als Wohnstandort für Auswärts-Pendler in Betracht. „Hier kann man gut leben!“, sandte er ein Signal etwa an die Berliner Charité aus. 70 Prozent der Menschen in Deutschland lebten schließlich auf dem Land. Der Griff nach einer Zukunft als Wohnstandort für verhinderte Großstädter steht und fällt, das weiß auch Zugehör, mit stabilen ICE-Verbindungen.
An Aufgaben herrscht, wenngleich auch das e i n e Oberthema - wie „2017“ - fehlt, also kein Mangel für die zweite Halbzeit von Torsten Zugehör als Oberbürgermeister von Wittenberg. „Ja, natürlich!“, antwortet der Jurist ohne eine Sekunde zu zögern auf die Frage, ob er gerne weitermacht. Und zitiert dann - „Oft verflucht, nie bereut!“ - einen früheren Leipziger Kollegen. Zum Fluch gehörten zunehmend uferlose verbale Angriffe auf Amts- wie auch Privatpersonen. Persönlich nehme er sie nicht.
(mz)


