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Gräfenhainichen Gräfenhainichen: Im Druck der Geschichte

23.11.2010, 18:51

GRÄFENHAINICHEN/MZ/WG. - Es gab Zeiten, da sprach man von Gräfenhainichen als der Buchdruckerstadt. Das war im vorigen Jahrhundert. Der Braunkohlebergbau sorgte für neue Wertigkeiten. Dennoch, so ganz von gestern kommt sich der kleiner werdende Rest der Ex-Schriftsetzer, Drucker und Buchbinder keinesfalls vor.

Der Altersdurchschnitt beim diesjährigen Traditionstreff hat die 60 überschritten. "Wir haben uns doch ganz gut gehalten", sagte die Wörlitzerin Renita Röder beim Blick über knapp drei Dutzend Gesichter trotzdem. Paradebeispiel: Elli Winkler, 82. Sie bewies nicht nur Durchhaltevermögen, sondern hatte zudem auch am meisten zu erzählen. Als nämlich am 16. September 1948 die Enteignung des ehemaligen kapitalistischen Druckereibetriebes in der Geburtsstunde des VEB Werkdruck mündete, war dem Gebäude in der jetzigen Wittenberger Straße (inzwischen Bibliothek, Museum, Versammlungsräume) und den Mitarbeitern eine Perspektive gegeben. Da war Frau Winkler schon vier Jahre im Geschäft.

Der über 20 Jahre von Paul Walther geleitete Betrieb gewann 1956 an Bedeutung, weil die Deutsche Akademie der Wissenschaften aus Berlin zum Hauptauftraggeber für die Drucker wurde. Zu Beginn der 70er Jahre wurde ein Neubau nötig. 200 Menschen arbeiteten damals in den drei Werkhallen und Büroräumen im Gebäudekomplex des sich nun VEB Druckerei "Gottfried Wilhelm Leibniz" nennenden Betriebes am Gutenbergplatz. Der aus Altenburg stammende Horst Winkler löste den in den Ruhestand verabschiedeten Paul Walther ab, führte als Betriebsleiter die Großdruckerei bis Ende 1995. "Da habe ich als einer der Letzten sozusagen mit das Licht ausgeknipst", sagt Bärbel Hammer. Jahrzehntelang war sie für die Gehaltsabrechnung zuständig. Mit am Tisch beim abendlichen Treff saß auch Hannelore Koch, Chefin der Küche.

Stabil blieb immer der betriebliche Sportverein, die BSG "Gottfried Wilhelm Leibniz". Im inzwischen 72-jährigen Helmut Goldacker hat man vermutlich den am längsten amtierenden Vorsitzenden (seit 1963) weit und breit. Dass nur noch die wenigsten seiner 87 Mitglieder in den Sparten Fußball, Gymnastik, Schwimmen, Tischtennis und Drachenflug in einer Beziehung zur Buchdruckerkunst Gutenbergs stehen, stört überhaupt nicht. Jedenfalls minderte an diesem Abend die gute Stimmung nur, dass mit Günter Thäle, dem "Chefstatistiker", erstmals ein Mann in der Runde fehlte, den Kollegialität und Herzlichkeit zu Lebzeiten besonders auszeichneten.