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Kultur in Wittenberg Giora Feidman in der Phönix-Theaterwelt: Was der 88-Jährige zu sagen hat

Giora Feidman gastiert in der Phönix-Theaterwelt. „Revolution of Love“ ist die Botschaft seiner diesjährigen Tournee mit Klezmermusik. Was der 88-Jährige zu sagen hat.

21.12.2024, 14:30
Giora Feidman (Mitte) mit German Prentki (l.) und Vytis Šakūras
Giora Feidman (Mitte) mit German Prentki (l.) und Vytis Šakūras (Foto: Erhard Hellwig-Kühn)

Wittenberg/MZ. - Giora Feidman ist in Wittenberg kein Unbekannter. Der Weltstar und Konzertklarinettist, Grenzgänger und Meister der jüdischen Volksmusik war wieder einmal zu Gast in Wittenberg, diesmal als Feidman-Trio zusammen mit German Prentki (Violoncello) und Vytis Šakuras (Piano). Nicht in der Stadtkirche, wie sonst, sondern im Phoenix Theaterwelt, in einem schon fast intimen Ambiente und vor einer überschaubaren Zuschauerschar.

„Revolution of Love“ ist die Botschaft seiner diesjährigen Tournee mit Klezmermusik. Klezmer kommt aus dem Aramäischen „kli“ und „zemer“ und ist die ursprüngliche Bezeichnung für einen jüdischen Musiker, der der „Überbringer oder Träger des Liedes“ ist. Und das ist der mittlerweile 88-Jährige in der Tat. Er entstammt einer Familie von Klezmer – Musikern. Damit ist er überall zu Hause. Seit wenigen Wochen hat er neben der argentinischen, der israelischen und der amerikanischen nun auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

Mit „Shalom Chaverim“ (Der Friede des Herrn geleite Euch) kam er bedächtig, aber eindringlich die Klarinette spielend und vorsichtig geführt hinter dem Vorhang der Bühne hervor. Das Alter ist ihm anzusehen. Er spielte dieses Lied zart und leise und gab dann dem Publikum das Zeichen, mitzusingen. Die Klarinette sei das Mikrofon seiner Seele, hat Giora Feidman einmal gesagt. Und Singen sei die Sprache, die jeder versteht, auch ein Neugeborenes. Das Publikum wird immer wieder zwischendurch zum Mitsingen animiert.

Giora Feidman in Wittenberg
Giora Feidman in Wittenberg
(Foto: Erhard Hellwig-Kühn)

Seine Liebes-Revolution, sein Tourneeprogramm selbst ist schon auf seine Weise revolutionär: die meisten Titel sind Kompositionen des iranischen Komponisten Majid Montazer. Ein Moslem schreibt also für einen Juden! „Wir feiern Ramadan und Shabbat und spielen sehr gern in einer Kirche“, so das Credo von Feidman und Montazer.

Mit der Klarinette berühre er die Seele von so vielen Menschen, und er betrachte es nun einmal als seine Bestimmung, für den Frieden zu spielen. Vor allem halte er es für wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, in denen man eine Entfesselung des Hasses beobachten kann, die Botschaft des Miteinanders zu verkünden. Montazer hat, als der Krieg mit dem Massaker am 7. Oktober 2023 im Nahen Osten begann, überlegt, die Tournee zu beenden und für sich aber dann entschieden: „Jetzt werde ich erst recht für den Frieden komponieren.“ Die Tournee ging weiter.

Und Charme hatte Feidmans Moderation an diesem Abend. Es war eine Mischung aus genuscheltem etwas Jiddisch, Deutsch und Englisch. Man versteht ihn aber und auch, was er meint, auch wenn es akustisch unverständlich ist. Seine Botschaft ist, dass wir uns mit Liebe und Achtung begegnen sollen und eine „Revolution of Love“ benötigen. Und man verstand ihn erst recht, wenn er, begleitet von Violoncello und Piano die Klarinette ansetzte und zuweilen temperamentvoll spielte.

Natürlich gab es auch Highlights wie „The Entertainer“ von Scott Joplin, „Hallelujah“ von Leonard Cohen, Yossel Yossel, Sholem Alekhem, Rov Feidman, um nur einige zu nennen. Wenn man Giora Feidman bei seinem Spiel beobachtete, hatte man den Eindruck, dass er nur allzu gerne mit seinen rot beschuhten Füßen eine Runde tanzen würde, wie ein junger Gott. Er spannt mit seiner Musik eine Brücke zwischen den Völkern und Religionen, wenn man ihm die Möglichkeit hierzu gibt. Und das tut gut. Der Applaus war dankbar und langanhaltend.