Gastronomie Gastronomie : Tante Ließbeths Traum-Café

Wörlitz - Großtante Ließbeth hatte es immer geahnt: An diese Ecke gehört ein Café. Zu ihren Lebzeiten wurde es zwar nicht mehr eingerichtet, aber nun, ein paar Jahrzehnte später, soll es bald ihren Namen tragen.
Die Dame ging einst von Wörlitz nach Berlin und übernahm dort die „Marktbörse“. Nun kommen ihre Nachfahren zurück nach Wörlitz und planen das Café, das sie sich immer wünschte.
An der Ecke Kirchgasse/Förstergasse stehen zwar gewaltige Öfen im Haus, aber es ist eiskalt. Daniel Räbiger lebt hier wochenweise auf einer Baustelle. Gemeinsam mit seiner Freundin Karen Retzlaff haben sich somit wieder Seidig-Nachfahren eines historischen Hauses in der Parkstadt angenommen.
„Meine Freundin hat das Haus von ihrem Onkel geerbt“, erzählt Räbiger. Schon zu Lebzeiten von Lothar Seidig, der in dem Eckhaus bis 2016 wohnte, habe man besprochen, dass in dem Fachwerkgebäude mit den jungen Leuten ein Café einziehen solle. Räbiger, Schreiner aus Berlin, bringt dies nun auf den Weg.
„Wir haben 2017 mit dem Hofbereich angefangen“, erzählt der 37-Jährige von den ersten Aufräumarbeiten. Als sich beim jüngsten Adventsmarkt die Tore erstmals öffneten, staunten die Besucher über den gestalteten Innenhof.
Die Bauarbeiten sind im Inneren parallel fortgeschritten. „Hier habe ich im vergangenen Jahr zwölf Tonnen Beton als neues Fundament gegossen“, zeigt er auf den Boden. Wände sind herausgenommen, Decken noch offen, und was einst Verkaufsraum und Backstube war, ist nun ein großer Raum, den zwei prächtige Öfen dominieren: ein Braunschweiger Ofen und ein altdeutscher Holzbackofen, letzterer groß und mit Fliesen versehen.
Aus ihm kamen bis zum 31. Dezember 1976 Brot und Brötchen, dann wurde die älteste Bäckerei der Region geschlossen. Gegründet wurde sie 1650 und 1726 als Fachwerkbau neu errichtet. So informiert das Schild neben der Ladentür über die Nr. 31 des Wörlitzer Denkmalpfades. Geblieben ist dem „Eckbäcker“ auch noch das Zunftschild am Sims.
„Für uns war eigentlich immer klar, dass hier ein Café rein muss“, meint Daniel Räbiger. „Und eine kleine Bar, Ließbeths Kammer“, ergänzt er. So lange hier aber noch eine Baustelle ist und man sehnsüchtig auf den positiven Bescheid der Denkmalschutzbehörde für die Umbauten wartet, muss man sich seinen Kaffee selber mitbringen. So macht es Nachbar Thomas Wolf. Mit dampfender Tasse steht er in der Tür. „Mein Freund und Helfer“, sagt Räbiger über den Chef der Autowerkstatt von gegenüber.
Wolf spricht für viele Wörlitzer, wenn er meint, dass sich der Ort über die Neuankömmlinge und deren Engagement freut. „Uns Wörlitzern fehlt einfach ein Platz, wo man mal nur ein Bier trinken kann“, findet Wolf. Hotels und die gehobene Gastronomie seien gut und schön, aber fürs Feierabendbier weniger geeignet.
Karen Retzlaff und Daniel Räbiger fanden das auch und wollen mit Café und Bar sowohl Touristen als auch Einheimische glücklich machen. Dem Schreiner, der in der Hauptstadt Möbel auf Kundenwunsch anfertigt, ist dabei sehr daran gelegen, den historischen Bestand mit modernen Elementen zu vereinen.
So soll eine innere Fachwerkwand neu aufgebaut werden, dann allerdings mit offenem Fachwerk, um den Raum besser wirken zu lassen. Vom Gastraum hätte man die Öfen also gut im Blick.
„Das muss uns die Denkmalbehörde jedoch noch genehmigen“, erklärt Räbiger die aktuelle Stagnation auf der Baustelle. Eigentlich wollte man das Café im Advent 2018 schon vorstellen. „Momentan sieht es aber eher nach einem offenen Baustellenrundgang zu diesem Termin aus“, bedauert der 37-Jährige.
So wird er wohl noch um einiges länger als geplant den Lebens- und Arbeitsort aller zwei bis drei Wochen wechseln. Eingerichtet hat er sich in Wörlitz jedenfalls schon eine Werkstatt, in der er seinem eigentlichen Broterwerb nachgehen kann und auch Architekturmodelle baut.
Mit ihrer Event- und Künstleragentur hält Freundin Karen Retzlaff derweil in Berlin die Stellung. Ihre Kontakte, so erzählt es Daniel Räbiger, sollen später einmal auch Lesungen, kleine Konzerte und Comedy in die „Eckbäckerei“ bringen. „Einmal im Monat können wir uns so etwas gut vorstellen“, sagt er. Da hätte auch Großtante Ließbeth sicher nichts dagegen gehabt.
(mz)