1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. "First Lady" Sachsen-Anhalts: "First Lady" Sachsen-Anhalts: Gabriele Haseloff nimmt Abschied vom Bohrer

"First Lady" Sachsen-Anhalts "First Lady" Sachsen-Anhalts: Gabriele Haseloff nimmt Abschied vom Bohrer

Von Marcel Duclaud 19.11.2015, 09:05
Hat jetzt mehr Zeit für ihre Aufgaben als „First Lady“, Gabriele Haseloff (2.v.l.). Hier bei einem Termin mit Adam Struzik, Marschall der Wojewodschaft Masowien, Monica Oltra Jarque, Vizepräsidentin der Autonomen Gemeinschaft Valencia, und ihrem Mann, Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Hat jetzt mehr Zeit für ihre Aufgaben als „First Lady“, Gabriele Haseloff (2.v.l.). Hier bei einem Termin mit Adam Struzik, Marschall der Wojewodschaft Masowien, Monica Oltra Jarque, Vizepräsidentin der Autonomen Gemeinschaft Valencia, und ihrem Mann, Ministerpräsident Reiner Haseloff. Thomas Klitzsch Lizenz

Wittenberg - 37 Jahre lang hat Gabriele Haseloff als Zahnärztin in Wittenberg gearbeitet, vor einigen Wochen übergab die Medizinerin und „First Lady“ des Landes Sachsen-Anhalt ihre Praxis im Norden der Stadt an einen Nachfolger, an Sebastian Müller, einen aus der Region stammenden jungen Mann, der sich nun gemeinsam mit seiner Frau um die Patienten kümmert. Ihre Entscheidung bereut die 62-Jährige keineswegs - auch nicht aus dem inzwischen gewonnenen Abstand heraus betrachtet. Alles hat seine Zeit.

Gabriele Haseloff: „Die Vorschriften werden immer heftiger“

Was ihr ein bisschen fehlt, ist der Kontakt zu den Patienten, die die Zahnärztin nicht selten über Jahrzehnte hinweg betreute. Was ihr hingegen nicht fehlt, ist die ausufernde Bürokratie: „Die Vorschriften werden immer heftiger.“ Und auch das Rechtfertigen von Behandlungsplänen gegenüber Krankenkassen ist etwas, das die Wittenbergerin nicht vermissen wird. Sie verhehlt überdies nicht, dass der Beruf körperlich anstrengend ist. Zahnärzte werden oft von Rückenproblemen geplagt. Dass ihre Aufgaben als „First Lady“ eine Rolle spielten bei der Entscheidung, die Praxis aufzugeben, räumt Gabriele Haseloff ein: „Der Hauptgrund ist das aber nicht. Ich habe beides immer ganz gut unter einen Hut gekriegt. Sozusagen zwei Leben geführt. Und es genossen, weil es mein Leben war.“

Zahnmedizin hat Gabriele Haseloff, die aus einer Mediziner-Familie kommt, in Budapest studiert. Sie beendete ihr Studium allerdings an der Humboldt-Universität Berlin, wo sie später auch promovierte. Das hat zu tun mit ihrem Mann, den sie noch während des Abiturs kennenlernte. Die beiden heirateten 1976, „im Winter bei minus 20 Grad“.

„Nur deshalb konnte ich die Uni wechseln.“ Reiner Haseloff studierte zunächst in Dresden - und besuchte seine Frau regelmäßig in Budapest. Sie selber durfte nur zwei Mal pro Jahr in die Heimat: „Den Pass mussten wir abgeben.“ Ihre Facharztausbildung absolvierte die junge Medizinerin in Pratau, Anfang der 1980er Jahre begann sie in der Poliklinik (Außenstelle Schulstraße).

Nach der Wende standen diverse Weiterbildungen und die Gründung der eigenen Praxis auf dem Programm. Das war anstrengend, habe aber auch viel Spaß gemacht, weil die Möglichkeiten sich enorm erweiterten. Hilfe kam im Übrigen aus Wittenbergs Partnerstadt Göttingen, dort fand sich Rat - und die Möglichkeit, in Praxen zu hospitieren. Um die eigene Praxis zu eröffnen, „musste ich mich enorm verschulden. Es war aber die einzige Möglichkeit, im Beruf weiterzuarbeiten“.

20 Jahre lang sind die Kredite abgezahlt worden. Der Weg in die Selbstständigkeit brachte ein hohes Maß an Freiheit mit sich, aber eben auch die Notwendigkeit, unternehmerisch zu denken und zu handeln: „Das war mir anfangs gar nicht so bewusst, wir hatten das ja nie gelernt. Und es ist mir bis zum Schluss schwer gefallen, medizinische Leistungen zu verkaufen.“

Nicht ganz einfach war es unterdessen, einen geeigneten Nachfolger zu finden für die Praxis - das ist bekanntlich ein Problem für zahlreiche Mediziner in der Region, nicht wenige müssen schließen ohne Übergabe. Sie empfiehlt denn auch aus eigener Erfahrung, etwa fünf Jahre vor dem geplanten Ausstieg mit der Suche zu beginnen. Gabriele Haseloff hat den Entschluss vor etwa vier Jahren gefasst - und eigens ein Seminar in Magdeburg besucht. Zwei Anläufe haben nicht funktioniert, aus verschiedenen Gründen.

Zeit für Enkel

Beim dritten, nachdem sie schon dachte, da wird nichts mehr draus, ging es ganz schnell. „Ein Glücksfall, wie ein Sechser im Lotto“, freut sich die Ärztin im Ruhestand. Im März fing Sebastian Müller als Assistent an, nach einigen Monaten paralleler Arbeit, um Erfahrungen auszutauschen, einander und die Gegebenheiten kennenzulernen, folgte die Übergabe: „Das Wichtigste ist, meine Patienten gut versorgt und meine Mitarbeiter weiterbeschäftigt zu wissen.“

Gabriele Haseloff selbst hat jetzt Zeit - und auch wieder nicht. Da sind die vier Enkel, die nun mehr von ihrer Oma haben, da ist die Arbeit als CDU-Stadträtin, die intensiver erfolgen kann, da ist die Schirmherrschaft für die Multiple-Sklerose-Gesellschaft, da sind die Termine an der Seite ihres Mannes. Wobei die Präsenz als „First Lady“ nicht zugenommen habe, wie sie sagt: „Im Gegenteil, ich suche mir mehr als früher aus, was ich wahrnehme.“ Was sie in der Tat genießt, das ist der größere Freiraum: durch die schöne Stadt zu bummeln, sich ins Café zu setzen, hier und da einen Plausch zu halten. (mz)