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Fest mit Muskelkraft, Musik und Mythen in Coswig

Von STEFANIE HOMMERS 07.06.2009, 18:43

COSWIG/MZ. - Die sportlichen Kerle vom Kanuverein ließen auch beim diesjährigen Treidelfestvergnügen wieder die Muskeln spielen und zogen das nach historischen Vorbildern gefertigte Flussschiff souverän gegen den Strom. Dass ihr knapp 15 Meter langes Gefährt mit dem Namen "Askania" 5,6 Tonnen auf die Waage bringt, war den "Bomätschern" (abgeleitet vom slawischen Wort Pomotsch für Hilfsmann) nicht anzumerken, schließlich haben sie sich die Technik bereits vor Jahren angeeignet.

Eine ganze Reihe von Festgästen verfolgte das schweißtreibende Geschehen am Samstagnachmittag mit neugierigen Augen. Aber auch wenn manch einer sich dabei Kuchen und Kaffee munden ließ, mit dem aromatischen Getränk hat der Begriff Kaffenkahn rein gar nichts zu tun. Er leitet sich vielmehr von seiner charakteristischen Bauform mit ausgesprochen steilen Bug- und Heckspitzen ab, die "Kaffen" genannt wurden. Vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese kiellosen Kaffenkähne bewährtes Transportmittel auf mitteldeutschen Flüssen. Wenn nicht die Bomätscher (oder Treidler) ihren Dienst verrichten mussten, konnten die Schiffe auch per Segel bewegt werden.

Während das erste Schautreideln noch bei halbwegs stabilen Witterungsbedingungen über die Elbbühne ging, sorgte Petrus im Verlauf des Nachmittags für Nässe von oben. Doch die Mädchen und Jungen aus der Grundschule am Schillerpark ließen sich davon bei ihren musikalischen Darbietungen nicht aus der Ruhe bringen. Allenfalls konnte man den Eindruck gewinnen, dass ihre fröhliche Vogelhochzeit ein wenig fixer als gewohnt zu Ende ging. Gut beschirmt und mit einem charmanten Lächeln trotzten auch Gabriele Jungfer und Christa Bütow den feuchten Himmelsgrüßen und ließen sich Kaffee und Kuchen weiter munden. Das bisschen Regen könne sie nicht vertreiben, betonten die Damen. "Wir gehen erst, wenn es zu kalt wird." Manch einer war indes durchaus froh, der Freiluftveranstaltung kurzfristig in mythische und vor allem trockenere Gefilde entfliehen zu können.

Wie bereits im vergangenen Jahr hatte der Schlossverein das Treidelfest zum Anlass genommen, zu einer Besichtigung des Simonetti-Hauses einzuladen. Die kunstvollen Decken des gebürtigen Schweizer Stukkateurs Giovanni Simonetti in dem zweigeschossigen Fachwerkhaus aus dem Jahre 1699 entführten Besucher in die Welt der Antike, luden sie in Andromedas Gemächer in der ersten Etage ein und erlaubten eine Stippvisite bei ihrem Nachbarn, dem Götterboten Hermes. "Sehr interessant und eine echte Entdeckung", fand Hans Richter. Der Berliner, zu Besuch in seiner Geburtsstadt Dessau, hatte die Gelegenheit zu einem Abstecher zum Treidelfest nach Coswig genutzt und war eher zufällig auf das historische Kleinod gestoßen.

Im Anschluss an die kundige Führung von Alexander Fuhrmann ließen er und seine Bekannten sich noch zu einer zünftigen Brotzeit im ehemaligen "Adler" überreden. Das "Simonettibrot", hergestellt nach einem historischen Rezept auf der Basis von Sauerteig, sei rustikal im Geschmack und "ein ausgesprochener Renner", wie Schlossvereinsmitglied Fuhrmann betonte.

Neben den Einblicken in die Mythologie und der Demonstration männlicher Muskelkraft hatte das Festwochenende in Coswig indes noch musikalische Höhepunkte zu bieten. Bereits am Freitagabend hatten Chöre aus der Region im Rahmen der Sommermusiktage für einen Auftakt nach Noten gesorgt, am Sonnabend vor dem Treideln gab es ein zünftiges Blasmusikkonzert und am Sonntag folgte das traditionelle Gemeindekirchenfest von St. Nikolai.

Für Coswigs Bürgermeisterin hat sich die Zusammenlegung der Festaktivitäten durchaus bewährt, sie bündele viele attraktive Angebote und biete für jeden etwas.